Selbst ohne spektakulärer Kampf-Szenen ist David Lowerys düstere Mythen-Adaption ein Werk buchstäblich sagenhafter Schlachten. Jene externalisieren vor dem Hintergrund des Widerstreits patriarchalischen Christentums und matriarchalischen Animismus das psychologische Dilemma des gebrochenen Protagonisten. Seine Zwiespältigkeit ist Teil der definierenden Dualität des enigmatischen Leinwand-Epos. Dessen titelgebende Schlüsselfigur (Ralph Ineson) ist faszinierendstes Motive der gleichnamigen Ritter-Romanze, aus deren sechs Jahrhunderte alter Handlung im Kontext des Artus-Stoffs der Regisseur und Drehbuchautor die zeitlosen Kernthemen kondensiert.
Die kryptische Traumlogik lenken ewige Konflikte zwischen Natur und Zivilisation, Selbstbestimmung und Schicksal, Ordnung und Chaos. Diese antagonistischen Kräfte prägen die Atmosphäre am Hofe des gealterten Königspaars Arthur (Sean Harris) und Guinevere (Kate Dickie), den Famillienhintergrund des bei seiner zaubermächtigen Mutter (Sarita Choudhury) aufwachsenden Sir Gawain (exzellent: Dev Patel) und gleichsam das Wesen des jungen Mannes. Hinter seinen trunkenen Exzessen verbirgt sich tiefe Zerrissenheit, genau wie hinter der trügerischen Eintracht der ihren Untergang vorausahnenden Tafelrunde.
Unvereinbare Erwartungshaltungen von Mutter, Vater(figur) und Geliebter (Alicia Vikander) treiben Gawain zu einer Tapferkeitsprüfung, die ihn seiner selbst unwiederbringlich entfernt. Diese Anti-Selbstsuche abseits der Gegenpole Gut und Böse ist nicht nur dramaturgisch Gegenteil konventioneller Fantasy-Action. Sardonisch interpretiert Lowry seinen Hauptcharakter als Spielfigur familiären Machtpokers: naiver Narr einer unbarmherzigen Fabel und Fremdidealen geopferte Christusgestalt. In der symbolistischen Filmlandschaft bewohnt von Tücke, Tod und Trugbildern findet der widerwillige Held weder Zuflucht noch Ziel.
Mythen, Märchen, Malerei und Mittelalterepik verschmelzen zu einer faszinierenden Parabel über Selbstverlust, Desillusionierung und Determinismus. Helden klassischer Ritterromantik sind in den makaberen Leinwandgemälden bloße gespenstische Schatten der Legenden, die David Lowery demontiert. Die in der grandiosen Ausstattung allgegenwärtige Endlichkeit irdischen und mystischen Ruhms wird zum Leitmotiv der hypnotischen Reise in tiefenpsychologische Abgründe. Reduzierte Effekte, exzellente Besetzung und Referenzen an Goya, Holbein und Präraffaelismus, Tarot und Ikonenmalerei erschaffen eine ästhetisch und atmosphärisch gleichermaßen fesselnde filmische Versballade.
- OT: The Green Knight
- Regie: David Lowery
- Drehbuch: David Lowery
- Produktionsland: USA
- Jahr: 2020
- Laufzeit: 125 min.
- Cast: Dev Patel, Alicia Vikander, Joel Edgerton, Sarita Choudhury, Sean Harris, Kate Dickie, Barry Keoghan, Erin Kellyman, Helena Browne, Ralph Ineson, Emilie Hetland, Anthony Morris, Helena Browne, Anny Green, Noelle Brown, Megan Tiernan
- Kinostart: 29.06.2021
- Beitragsbild © Telepool