Das ebenso banale wie beklemmende Fazit David Cronenbergs phantasmagorischen Psycho-Horrors ist die Unausweichlichkeit des Ichs. Die klaustrophobische Einheitlichkeit der eigenen Person ist das zentrale Motiv eines surrealen Schauerstücks besessen vom Abspalten, Reproduzieren und Eliminieren von Persönlichkeitsanteilen, die sich gleich psychischen Parasiten je tiefer in die eigene Seele bohren, desto radikaler man sie zu exorzieren versucht. Wie der gescheiterte Schriftsteller James (Alexander Skarsgard), den die symbolische Sezession seiner angelehnten Charakterfacetten diesen anderen Ichs immer näher bringt.
Das abgeriegelte Urlaubsressort, dessen elitärer Klientel sich durch die institutionalisierte Hinrichtung von Klonen der Verantwortung für versehentliche und absichtliche Vergehen entziehen kann und das so generierte moralische Vakuum zu sadistischen Exzessen nutzt, ist eine psychopathologische Pervertierung des klassischen Doppelgänger-Narratives. In der von gleißenden Lichtern und grellen Farben verzerrten Luxus-Welt eskalierenden Privilegs repräsentiert das Double nicht die bösartigen, sondern positiven Eigenschaften. Deren Tötung in einem Schauspiel von abstrahierter Autoaggression beizuwohnen, erlaubt James seinen unterdrückten Selbsthass auszuleben.
Der psychologischen Parabel symbiotisch verwachsen ist die ätzende Kritik einer
Gesellschaft des zelebrierten Zynismus und exhibitionistischer Extreme. Die von Mia Goth mit faszinierender Ambivalenz verkörperte Gabi, die einer Clique sich brutalen Exzessen mit anschließender Klon-Katharsis hingebenden Gästen angehört, (ver)führt ihn auf dem Weg durch den Spiegel. Doch von dessen anderer Seite aus ist die reflektierte Realität nur noch eine grausame Farce. Das ego kennt kein alter. Am Ende bleibt jede:r mit sich selbst allein.
In seiner hypnotischen Horror-Vision verformt Brandon Cronenberg die Urängste vor dem gespiegelten Ich zu einer monströsen Metapher soziopathischer Selbstverachtung und deformierender Dekadenz. Persönlichkeit und Physis werden zum endlos verwertbaren Verbrauchsartikel als Ausdruck ultimativer Unantastbarkeit. Psychedelisch pulsierende Klang- und Farbkulissen illustrieren die konsumeristische Korruption der Figuren. Deren monströse Masken enthüllen ihr wahrhaftiges Wesen, berauscht vom materialistischen Macht-Monopol. Dass die stereotypen Charaktere gegenüber dem kapitalismuskritischen Psychogramm ungleich schematische Klone sind, macht die bitterböse Pointe paradoxerweise noch sarkastischer.
- OT: Infinity Pool
- Director: Brandon Cronenberg
- Screenplay: Brandon Cronenberg
- Country: USA
- Year: 2022
- Running Time: 117 min.
- Cast: Cleopatra Coleman, Alexander Skarsgård, Dunja Sepčić Bogner, Adam Boncz, Jalil Lespert, Mia Goth, Zijad Gracic, Amar Bukvić, Alan Katić, Thomas Kretschmann, Katalin Lábán, Kamilla Fátyol, Lena Juka Stambuk, Kristóf Kovács, Romina Tonkovic, Amanda Brugel
- Release date: 20.04.2023
- Image © NEON | Topic Studios