Sowohl der hiesige Verleih-Titel, der das französische Original lobenswert unverfälscht übernimmt, als auch die englische Version „A Great Friend“ erhalten einen zunehmend bitteren Nachhall, sobald Éric Besnards Buddy-Komödie mit der eigentlichen Entwicklung ihrer Hauptfiguren und Handlung beginnt. Die führt in die entgegengesetzte Richtung der vertrauten Prämisse: Ein gestresster Geschäftsmann – hier der steinreiche Entwickler und Entrepreneur Vincent Delcourt (Lambert Wilson) – lernt durch eine Autopanne in den Bergen einen wortkargen Selbstversorger und eine ganz andere Lebensweise schätzen.
Die Ruhe in der Almhütte des grantigen, aber gastlichen Pierre (Grégory Gadebois) vor malerischem Gebirgspanorama, wo vermeintlich weder Zeit- noch Leistungsdruck existieren, wirkt wie eine buchstäbliche Frischluftkur auf den vorm Burnout stehenden Unternehmer. Der nistet sich prompt bei seinem neuen Bekannten ein, doch die erwartete Adaption des Hightech und Luxus gewohnten Unternehmers an im Titel beschworenen schlichten Dinge bleibt aus. Bekehrt wird vielmehr Pierre, der nicht ganz der Eremit ist, als der er sich ausgibt.
Selbiges gilt für Vincent, der genau zu wissen meint, was sein Gastgeber braucht. Diese Übergriffigkeit wird nicht kritisch betrachtet, sondern erscheint als Segen in einem durch wiederholte Göttergleichnisse impliziert spirituellen Sinne. Der Aussteiger muss wieder einsteigen in die Businesswelt, deren Gewinnstreben durch Vincents ethische Ziele ein humanistischer Anstrich verliehen wird. Zudem erhalten die kontrastierenden Kumpane vom jeweils anderen Lektionen in stereotypen Männertugenden, ob handwerklicher oder amouröser Art. „Einfach“ heißt hier vor allem patriarchalisch und privilegiert.
Fazit:
Die idyllischen Naturkulissen, die Éric Besnards Freundschaftskomödie umrahmen, sind der atmosphärische Zuckerguss auf einer verkappten Verklärung altväterlicher Werte. Die Differenzen der trotz patenten Schauspiels nah am Klischee angelegten Protagonisten verkörpern nicht das Ausbalancieren von innovativer Moderne und ökologischer Rückbesinnung, sondern Konservativismus und Neo-Liberalismus. Erster zeigt sich in homophoben Witzen und der Definition der einzigen Frauenfigur als männereigener Trophäe, zweiter in der Normalisierung privilegierten Wohlstands hinter rustikaler Fassade. Das Resultat ist bedrückend zeitgemäß in seiner Gestrigkeit.
- OT: Les chooses simples
- Director: Éric Besnard
- Screenplay: Éric Besnard
- Country: France
- Year: 2022
- Running Time: 95 min.
- Cast: Lambert Wilson, Grégory Gadebois, Marie Gillain, Betty Pierucci Berthoud, Félix Fournier, Antoine Gouy
- Image © Neue Visionen Filmverleih