Ist der Umstand, dass Sean Durkins wehmütige bis wehleidige Wrestling-Saga nicht annähernd so packt wie der titelgebende Kampfgriff der von Erichs ein Beleg des den Show-Kämpfer-Klan angeblich plagenden Fluchs? Oder ist jener nicht vielmehr ein strategisches Synonym der toxischen Erziehungsmethoden des Patriarchen und Profi-Wrestlers Felix von Erich (Holt McCallany). Dessen totalitärer Traditionalismus und aggressive Autorität, unterstützt von Gattin Doris (Maura Tierney), prägen jeden seiner auf der Leinwand gezeigten Söhne Kevin (Zac Efron), Kerry (Jeremy Allen White), David (Harris Dickinson) und Mike (Stanley Simons). Den Jüngsten Chris übergeht Durkins selbstverfasstes Skript vorgeblich aus Zeitmangel, tatsächlich wohl eher aufgrund dessen frühen Freitods.
Mit nur 21 beendete Chris sein Leben, weil seine Wrestling-Karriere scheiterte. Das Schicksal seiner Brüder macht ein Muster nahezu unübersehbar. Mike tötete sich nach einer folgenschweren Ringverletzung. Kerry erschoss sich mit 33, als die Wrestling-Jobs stagnierten. David starb mit 25 offiziell an Darmdurchbruch, inoffiziell Dauerstress und Drogen. Leistungsdruck, Erfolg als Voraussetzung elterlicher Wertschätzung und ein archaisches Männlichkeitsbild, das jegliche Schwäche verachtet, klingt natürlich weniger medienwirksam als Fluch, der den Erfolg der Sippe offenbar nicht mindert. Geld, Ruhm und Karrieretriumphen sind auch nicht die Früchte von Privilegien, sondern harter Arbeit, die Männer machen, während Frauen haufenweise Kinder produzieren. Schöne weiße WASP-Welt.
Kein Wunder, dass Sean Durkin keinen tieferen Einblick in die Performance seiner Protagonisten erlaubt. Sein um den ältesten lebenden Sohn zentriertes Gruppen-Biopic ist selbst Baustein der konstruierten Kämpfer-Charaktere. Statt die Kunstfiguren zu entmystifizieren, verklärt der melodramatische Machismo-Mythos die patriarchalischen Prinzipien, an denen mehrere Familienmitglieder zerbrachen. Weder erschließt sich die Faszination der Show, noch die individuelle Dynamik zwischen den Familienmitgliedern. Auf das Bible Belt Zielpublikums zugeschnittenen, überhöht der pathetische Plot biografische Schatten als sei die Show-Sport-Soap eine griechische Tragödie. Ähnlich dick aufgetragen ist das Schauspiel, das sich ebenso wirklichkeitsfern anfühlt wie die Hochglanz-Bilder und Rockwell-Kulissen. Oscar-Bait-Kino, so fake wie die Schaukämpfe.
- OT: The Iron Claw
- Director: Sean Durkin
- Screenplay: Sean Durkin
- Country: USA
- Year: 2023
- Running Time: 132 min.
- Cast: Zac Efron, Jeremy Allen White, Harris Dickinson, Maura Tierney, Holt McCallany, Lily James, Brady Pierce, Kevin Anton, Brett Beoubay, Cazzey Louis Cereghino, Yutaro, Aaron Dean Eisenberg, Leo Franich, Sam Franich, Maxwell Friedman, Mark Givens, Stanley Simons
- Image © Leonine