Die Schatten in der Frankfurter Altbauwohnung, in der Protagonisten Shuli Huangs biografischer Beziehungsaufstellung einander fast ein Jahrzehnt nach ihrer letzten Begegnung in Beijing wiedersehen, sind nicht nur die des schwindenden Lichts. Es sind Schatten von Wehmut, Enttäuschung und der dumpfe Schmerz einer alten Wunde, die nie richtig verheilen konnte. Solch eine emotionale Narbe zu verarbeiten ist augenscheinlich auch die Absicht des Regisseurs des kammerspielartigen Kurzfilms.
Das sucht im fiktiven Setting der auf eine Dialogszene konzentrierten Rekapitulation nach psychologischer Wahrhaftigkeit. Huang verkörpert selbst den jungen Protagonisten, der die äußeren Umstände in einem distanzierten Prolog mitteilt. Sein Ex-Freund (Simu Chen) und er wirken fast gesichtslos im Halbdunkel des Schauplatzes. In Worten und beiläufigen Gesten überträgt sich das Gefühl bedrückender Fremde; der Stadt, des Zimmers – und des Menschen, den er einmal zu kennen glaubte.
Verheilen alte Wunden endlich endgültig, wenn man sie neu aufreißt? Ist die emotionale Erinnerung eine andere als das geistige Gedächtnis? Welche Rolle spielt die Stärke von Gefühlen für deren Wahrhaftigkeit? In einer (re)konstruierten Konfrontation mit den Relikten einer unverarbeiteten Trennung findet Shuli Huang keine allgemeinen Antworten. Dafür entwickelt die gleichsam intime und immersive Planszene im Zentrum seines Kurzfilms eine seltene atmosphärische und figurative Dichte.
- OT: Jing Guo
- Director: Shuli Huang
- Screenplay: Shuli Huang
- Country: USA
- Year: 2024
- Running Time: 19 min.
- Cast: Simu Chen, Shuli Huang
- Image © Shuli Huang