Entscheidender als die Formel, nach der die Titelfigur Anna Novions dramaturgischer Addition von Romantik und Rechnen im Kampf um akademische Anerkennung sucht, ist die nach der die Regisseurin und Co-Drehbuchautorin ihre stereotype Story konstruiert. Die ermüdend generische Gleichung ist eine mit losen Handlungsfäden gespickte Aneinanderreihung chauvinistischer Klischees, die aufzuzählen genügt, um das Ergebnis zu kennen. Das Ärgerlichste ist die auf „Aschenputtel“ gestylte Ella Rumpf als mausgraue Mathematikstudentin, die in Hausschuhen durch die renommierte ENBS schlurft.
Naturwissenschaftlich versierte Frauen existieren in dem sexistischen Szenario nach den fast ausschließlich männlich besetzten Leersälen und Podien zu urteilen, und Ausnahmen wie Marguerite sind verkrampft, verbissen, überakkurat, unscheinbar, ungepflegt und sexuell unbewusst unbefriedigt. Das jedenfalls vermittelt der patriarchalische Plot, der das übergriffige Verhalten ihres Doktorvaters Werner (Jean-Pierre Darroussin) als väterliche Fürsorge kodiert und den Opportunismus dessen neuen Schützlings Lucas (Julien Frison) als lässige Genialität. Klar, wo die Studierenden landen, damit Lukas die Protagonistin intellektuell befruchtet.
Der Weg dorthin ist gepflastert mit verstaubter Vorurteilen und diskriminierenden Konstrukten. Weil sie als Frau trotz ihrer Rigidität hyperemotional ist, schmeißt Marguerite ihr Studium und findet in Tänzerin Noa (Sonia Bonny) die sexualisierte Schwarze beste Freundin. Wird das narrativ zumindest minimal variiert, indem beide einander anziehen? Nein, alles brav heteronormativ. Mit der sexuellen Aktivität kommt die geistige und die Protagonistin entdeckt einen mathematischen Weg, den allerdings das Männerteam Werner und Lucas schon vor ihr hatten.
Wie in einem Lehrbuch gestriger Genre-Grundlagen lernt Anna Novions Mathe-Mauerblümchen, dass die professionelle und private Rechnung nur mit einem Mann an ihrer Seite und normativem Sexualleben aufgeht. Rumpfs und Bonnys solides Schauspiel rettet nichts an der zutiefst reaktionären Romanze, die ihre dramatischen Versatzstücke nach längst überholtem Muster zusammenfügt. Systemischer Sexismus wird hier nicht nur negiert, sondern indirekt gefördert. Jegliche Leidenschaft bleibt Behauptung, sei es die der Hauptfiguren zueinander oder zur Mathematik, deren Faszination nie überspringt.
- OT: Marguerite’s Theorem
- Director: Anna Novion
- Screenplay: Anna Novion, Mathieu Robin, Marie-Stéphane Imbert, Agnès Feuvre
- Year: 2023
- Distribution | Production © Weltkino