Nachdem sie für beide Teile Martin Bourboulons opulenter Leinwand-Adaption von Die Drei Musketiere Drehbuch, Szenario und Dialoge lieferten, sitzen Matthieu Delaporte und Alexandre de La Patellière nun selbst im Regie-Stuhl einer Alexandre Dumas Verfilmung. Die wäre besser ebenfalls ein Zwei- oder Dreiteiler geworden. Trotz einer imposanten Laufzeit von knapp unter drei Stunden vermag das Regie-Duo nur einen Bruchteil der ausufernden Handlung und zahlreichen Charaktere – nicht zu vergessen deren Alter Egos – im gemeinsam verfassten Drehbuch unterzubringen.
Fundamentale Schwäche ihrer Version des Graf von Monte-Cristo sind jedoch nicht die rigorosen Kürzungen, denen ganze Stränge der verschlungenen Story zum Opfer fallen, sondern Änderungen. Die untergraben neben der steigenden Spannung der klassischen Rache-Saga deren psychologische Essenz. Der junge Edmond Dantes (fade: Pierre Niney), den eine teuflische Intrige am Tag seiner Hochzeit mit Jugendfreundin Mercedes (Anaïs Demoustier) auf die berüchtigte Gefängnis-Insel Chateau D’If bringt, ist nur noch ein Schatten des Rachengels aus Dumas Roman.
Darin fasziniert Dantes mit der Ambivalenz eines Anti-Helden, der die Sünden seiner Feinde – der brutale Kapitän Danglars (Patrick Mille), sein verräterischer Freund und romantischer Rivale Fernand (Bastien Bouillon) sowie sein korrupter Verteidiger Villefort (Laurent Lafitte) – an deren Kindern heimsucht. Dass den Regisseuren der Wesenswandel des anfangs naiven Protagonisten missfiel, zeigt sich bereits am Ungleichgewicht der beiden Akte. Der Erste, das Edmonds Geschichte bis zur Auferstehung als Titelcharakter illustriert, erhält wesentlich mehr Raum als der Zweite.
Der Entschluss wirkt umso befremdlicher, da nach der statischen Kerkerzeit die Handlung ab dort Tempo und Action aufnimmt. Bewaffnet mit sagenhaftem Reichtum, umfassenden Sprach- und Weltkenntnissen sowie zwei jungen Komplizen, Villeforts illegitimen Sohn Andréa (Julien De Saint-Jean) und die von Fernand versklavte Haydée (Anamaria Vartolomei), setzt Edmond seinen bereits massiv gestutzten Plan in Gang, nur um auf halber Strecke einzuknicken. Weil die junge Generation es mal besser haben soll. So lässt sich Motivations-Mangel auch verpacken.
Ausstattung und Kostüme Matthieu Delaportes und Alexandre de La Patellières mutloser Dumas-Verfilmung sind angemessen üppig, wobei die schwülstigen Szenenbilder weniger historische Glaubhaftigkeit anstreben als den verstaubten Look klassischer Mantel-und-Degen-Filme. Im Vergleich zu denen mangeln der Inszenierung indes Atmosphäre und Verve. So kommen Monte-Cristos Maskeraden kaum vor. Während dem Hauptcharakter und seinen Gehilfen ihre verbitterte Manie genommen wird, fehlt seinen Widersachern die psychologische Vielschichtigkeit, die nur darstellerisch vage anklingt. Handwerkliche Solidität und Konformismus ersticken Imagination und Werktreue.
- OT: Le Comte de Monte-Cristo
- Director: Matthieu Delaporte, Alexandre de La Patellière
- Screenplay: Alexandre Dumas, Matthieu Delaporte, Alexandre de La Patellière
- Year: 2024
- Distribution | Production © Pathé Films