Die appellative Ausrichtung Cherien Dabis epischer Familienchronik offenbart sich überdeutlich schon in der ersten Szene. In der wendet sich die Regisseurin und Drehbuchautorin so direkt an das Kinopublikum des Sundance Film Festivals, wo das israelische Drama im internationalen Wettbewerb Premiere feiert, wie es ohne ein Durchbrechen der Vierten Wand möglich ist: “You don’t know very much about us. It’s OK, I’m not here to blame you, I’m here to tell you who is my son.“
Was folgt ist ein Jahrzehnte umfassender und sich oft auch so langwierig anfühlender Bericht über die von Verfolgung und Vertreibung geprägte Geschichte der Familie Hanans. Dabis schlüpft selbst in die Rolle der Matriarchin, die von der Gegenwart ins Jahr 1948 zurückgreift. Titelkarten markieren den Zeitverlauf, der einer jungen Hanan (Maria Zreik) und ihren Dichter-Ehemann Sharif (Adam Bakri) erstmals in Jaffa ihrem malerischen Heim begegnet. Der historische Rahmen macht bedrückend bewusst, dass ihr Glück vergänglich ist.
Traumatische Schlüsselereignisse der palästinischen Geschichte wie die Nakba und Intifada prägen die Handlung, in deren Laufe Sharif (alt: Mohammad Bakri) seine Hoffnung verliert und sein Sohn Salim (Saleh Bakri) nach einer traumatischen Begegnung mit israelischen Soldaten seinen Selbstrespekt. Der Widerstandsgeist Salim Sohnes Noor, der als Jugendlicher (Muhammad Abed Elrahman) 1980 an einem blutig niedergeschlagenen Protest teilnimmt, entspringt dieser Geschichte von Unterdrückung und Verlust. Ein gediegenes Historiendrama in Hochglanz-Optik, dessen Wirkung im ausdrucksstarken Schauspiel und bedrückenden Zeitbezug liegt.
Dass Cherien Dabis die pädagogische Absicht ihres tragischen Historienstücks offen darlegt, ändert wenig am konstruierten und kalkulierten Nimbus des glattgebügelten Dramas. Dessen Story hat trotz ihrer Orientierung an realen Ereignissen mehr von einem typischen Hollywooddrama als einer authentischen Zeitchronik. Besonders deutlich wirkt dies in den Dialogen, die weit weg von organischer Unterhaltung klingen, und den allegorischen Konflikten. Der, mit dem sich der Hauptcharakter konfrontiert sieht, untergräbt mit philosophischen Prätention die Dramatik, die er tragen soll.
- OT: اللي باقي منك
- Director: Cherien Dabis
- Screenplay: Cherien Dabis
- Year: 2025
- Distribution | Production © Match Factory