Heimat-Horror made in Austria mit einer Prise gesellschaftspolitischen Zeitgeist klingt nach einer sicheren Sache. Erst Recht aus der Hand von Andreas Prochaska. Der österreichische Regisseur bewies bereits mit seinem letzten Berlinale-Beitrag Das finstere Tal ein Gespür für die düstere Aura tiefer Wälder und entlegener Dörfer mit einem speziellen Schlag Anwohnender. An solch einen unheilvollen Schauplatz verschlägt es die junge Protagonistin. Judith (Julia Franz Richter) sucht in ihrem Geburtsort ihre Wurzeln, die sie nicht mehr loslassen.
Das gilt buchstäblich in der symbolträchtigen Schauerstory, die Psychothriller, Okkult-Schocker und Schwangerschafts-Horror zu einer Art Folk-Horror-Version von Rosemary‘s Baby verwebt. Eigentlich will die Berliner Notsanitäterin nur das geerbte Haus ihres verstorbenen Vaters schnellstmöglich verkaufen, und dabei mehr über die Gründe ihrer Adoptionsfreigabe erfahren. Midsommar und Get Out zeigen sich als unübersehbare Einflüsse als der Berliner Notsanitäterin dämmert, dass die zudringlichen Dorf-Damen sie und ihren Partner Ryan (Reinout Scholten van Aschat) nicht wieder gehen lassen.
Ob die vage bedrohliche Vereinnahmung und die übergriffigen Nettigkeiten von Judiths Tante Paula (Gerti Drassl) auf Prochaskas persönlichen Erfahrungen basieren, lässt sich nur raten. In jedem Fall sind diese amüsanten Scares die entscheidende Stärke der stilsicheren Inszenierung, die im ersten Akt effektiv Atmosphäre mit Exposition verbindet. Allerdings stagniert das Geschehen umso mehr Zeit Judith in ihrem erdrückenden Elternhaus verbringt. Jedes Mitglied des Drehbuchautoren-Trios hatte scheinbar eine andere Vorstellung davon, was die gespenstische Bedrohung eigentlich sein sollte.
So werden einige Andeutungen einfach fallengelassen, wenn der Plot sich schließlich für eine Richtung entscheidet. Die kombiniert das feministisch gefärbte Konzept einer jungen Heldin, die um ihre Unabhängigkeit und körperliche Autonomie gegen ein archaisches Sozialnetzwerk kämpft, mit der urpatriarchalischen Trope des dämonischen Frauenzirkels. Das hätte eine spannende Variation werden können, verfängt sich aber in Widersprüchen und abgegriffenen Genreklischees. Nachdem der gelungene Aufbau etwas zu viel Handlungszeit beansprucht, wollten alle offenbar schnell fertig werden – auch, wenn die Hälfte des Errichteten dabei umkippt.
Die überzeugenden Darstellungen Julia Franz Richters und des Ensembles bedrohlicher Landfrauen tragen Andreas Prochaskas doppelbödige Kombination von Heimat- und Horrorfilm bis zum allzu lang herausgezogenen Schluss. Dass dieser reichlich verworren ist, machen die unheilvolle Atmosphäre und schwarzhumorige Satire auf die dezent verstörenden Marotten konservativer Dörfler verschmerzbar. Der sozialpolitische Subtext der stimmungsvoll ausgestatteten Story von tödlicher Traditionalismus und alternativloser Assimilation wirkt indes mehr bemüht als clever. Trotzdem weckt Prochaskas Rückkehr zum Kino Neugier auf mehr heimisches Genrekino.
- OT: Welcome Home Baby
- Director: Andreas Prochaska
- Screenplay: Andreas Prochaska, Daniela Baumgärtl, Constantin Lieb
- Year: 2025
- Distribution | Production © Wild Bunch