Manche Regisseure drehen bloß Filme, damit Europa ein reines Gewissen hat. Das ist nur einer der bissigen Vorwürfe, die in Mehmet Akif Büyükatalays sarkastischem Psychokrimi immer aggressiver herumgeworfen werden. Der deutsch-türkische Filmemacher weiß nur zu gut um die Doppelbödigkeit solcher Sätze, die ebenso gut Branchenkritik sein könnten wie Selbstironie oder eine strategische Vorwegnahme von Anschuldigungen, die ihn selbst treffen könnten. Dieses Spiel mit Sub- und Meta-Text der Materie macht seinen Filmset-Thriller ebenso originell wie verworren.
Die Eingangsszene bündelt diese Ambivalenz der Story, die sich in ihrem eigenen narrativen Netz verheddert. Ganz ähnlich ergeht es den Charakteren auf der Leinwand, die an einer deutschen Filmproduktion über den rassistischen Terroranschlag von Solingen arbeiten. Der Brandanschlag auf ein Geflüchtetenheim und das Trauma, das er auslöste, werden zu Beginn als „Kontext“ für die folgenden Ereignisse zitiert. Doch die Szene entpuppt sich als Teil des Films-im-Film, den der deutsch-türkische Regisseur Yiğit (Serkan Kaya) dreht.
Die angespannte Stimmung am Set kocht hoch, als ein verbrannter Koran gefunden wird. Ein Versehen der türkischen Geflüchteten, die als Komparsen arbeiten? Steckt Yiğit, der sich politisch reflektiert gibt, aber karrieristisch motiviert ist, dahinter? Die profitorientierte Produzentin Lilith (Nicolette Krebitz)? Welche Absichten hat die halb-türkische Assistentin Elif (Devrim Lignau)? Büyükatalay interessiert sich nicht für den Whodunnit, sondern die individuellen Befindlichkeiten und eskalierenden Emotionen. Doch ohne stabiles Plot-Gerüst droht der Thriller in die Selbstpersiflage zu kippen.
Selbst- und fremddefinierte nationale Identität, Rassismus, Trauma, Religion, Respekt, Appropriation, Kommerz und Kunstfreiheit: Mehmet Akif Büyükatalays kantiges Konstrukt kollabiert unter einer Überzahl anspruchsvoller Themen. Meta-Text und Mehrdeutigkeit höhlen letztlich die Story aus. Narrative Stränge verheddern sich, Figuren ändern abrupt ihre Agenda, das Ensemble wirkt oft desorientiert. Stilmittel aus Dokumentation, Krimi, Mystery, Satire und Soap setzen dauernd wechselnde atmosphärische Akzente. Ungleich starke Eröffnungs- und Schlussszenen rahmen eine sozialpolitische Psycho-Satire, die auf originelle Weise an ihren eigenen Ambitionen scheitert.
- OT: Hysteria
- Director: Mehmet Akif Büyükatalay
- Screenplay: Mehmet Akif Büyükatalay
- Year: 2025
- Distribution | Production © Pluto Film