In einer späten Szene, in der die vierköpfige Familie im Zentrum Sophie Letourneur familiären Ferien-Films bereits auf der Heimfahrt von ihrem handlungsfüllenden Urlaub sind, fragt die von der Regisseurin selbst verkörperte Mutter die 11-jährige Protagonistin, was sie zu dem Ferienerlebnis zu sagen habe. Claudine (Bérénice Verne) antwortete mit einem leeren Blick, ratlosem Schweigen und entgegnet schulterzuckend „Nichts“. Das geht nicht nur dem zur Hauptfigur erklärten Mädchen so. Der triviale Travelogue sieht mit seinen Handkamera-Bildern nicht aus wie ein überlanges Familienvideo.
Claudine und ihr kleiner Bruder Raoul (Esteban Melero) lümmeln am Strand, planschen im Meer und stopfen sich mit Fast Food voll. Stiefvater Jean-Fi (Philippe Katerine) lässt sich m Steuer des Wagens von Quengeln und Zankereien nicht die Laune verderben und Mama Sophie sinniert über den Film, den sie konzipiert. Dass dieser Film-im-Film – wenn auch nur als Gedankenkonstrukt – offenbar den abgebildeten Familienurlaub der Protagonisten adaptieren soll, schafft eine plakative Meta-Ebene. Jene ist allerdings so seicht und banal wie die sonnengetränkten Kameraaufnahmen.
Der Verzicht auf Soundtrack und aufwendige Beleuchtung kreiert eine befremdliche Faux Authentizität; als würde die heteronormative weiße Idealfamilie im Uncanny Valley die Strandpromenade abgrasen. Die Ereignisse sind so selbstfixierten und substanzlos wie die typischen Urlaubsfilme der Mittelschicht, deren soziologischer Hintergrund ein anderer ist als das filmische Festhalten von Sandburgenbau und Pizza-Essen im Touri-Restaurant. Doch die komplexe Funktion von Urlaubsvideos als Statusbeweis und ritualisierten Revisionismus ignoriert das seichte Panorama geflissentlich. Letourneur will die materialistische Monopolisierung der abgebildeten Feriendomizile nicht reflektieren, sondern zelebrieren.
Dass Sophie Letourneur die kindliche Tochterfigur ihrer mäandernden Reise-Revue als Hauptcharakter ausgibt, macht die stilistische und dramaturgische Ablehnung ihres Werks an Charlotte Wells Aftersun noch deutlicher. Tatsächlich steht die Regisseurin und Drehbuchautorin selbst im Zentrum des biederen Bilderbogens. Dessen Handkamera-Szenen stehen in ihrer Instagram-tauglichen Ästhetik in kuriosem Kontrast zur behaupteten Lebensnähe. Diese entrückte Selbstverklärung erstickt eine differenzierte Rekapitulation der zahlreichen Implikation der porträtierten Privilegien. Dramatisches Momentum fehlt hier ebenso wie darstellerisches Feingefühl.
- OT: L’aventura
- Director: Sophie Letourneur
- Year: 2025