Wenn Hubert Charuels bedächtiges Jugenddrama mit einer vergleichsweise konventionellen Prämisse einsetzt, meint man zu wissen, wohin sich die humorige Handlung entwickelt. Doch nicht nur die dezent sozialkritische Story offenbart mehr Nuancen als es die stereotype Problematik um Zusammenhalt, Verantwortung und berufliche Integration erwarten lässt, auch die Figuren. Mika (überzeugend: Paul Kirchner), der mit seinem besten Kumpel Daniel (Idir Azougli) die slacker-like Selbstsicherheit teilt. Das eingeschworene Duo meint, es stünde über den Dingen.
Ganz sicher jedenfalls über einem gewöhnlichen Job, wie ihn der etwas ältere Dritte im Bunde, Tony (Salif Cissé) hat. Doch als eines ihrer Projekte, mit dem sie schnell zu Geld kommen wollen, katastrophal scheitert, müssen sie sich unter Druck des Gerichts in reguläre Arbeitsstrukturen integrieren. Den eigentlichen Wendepunkt in Tonus und Dramaturgie bringt jedoch ein epileptischer Anfall Daniels. Es ist ein sogenannter Entzugsanfall, eine schwere Komplikation bei massivem Langzeitkonsum von Alkohol oder Benzos.
Der Doktor warnt Daniel, dass er nur noch wenige Jahre zu leben hat, wenn er seine Gewohnheiten nicht konsequent umstellt. Zwar öffnet der Schock Daniel die Augen, doch Alkohol ist ein ebenso essenzieller Bestandteil Daniels Lebens wie Mika. Letzter ist entschlossen, seinen Freund zu unterstützen. Doch langsam reift in ihm die Erkenntnis, dass er unabsichtlich genau das Gegenteil tut. Das Kernkraftwerk, in dem die beiden mit Tony zu arbeiten beginnen, wird zum Sinnbild einer toxischen Umgebung, die unmerklich vergiftet.
Labyrinthische Gänge zwischen fahlen Wänden kreieren ein unerwartet gespenstisches Umfeld, das beider verirrte Lebenslage verdeutlicht. Über die Jahre hat ihre Freundschaft eine destruktive Dynamik angenommen. Die Erkenntnis ist umso schmerzhafter für Mika, da er Daniel wirklich helfen möchte. Dunkle Interieurs und surreale Beleuchtung schaffen eine pessimistische Atmosphäre, in der vermeintlich positive Aspekte ins Gegenteil verkehrt werden. Das naturalistische Schauspiel zeigt den intuitiven Rapport zweier junger Menschen, die loslassen müssen, wenn sie den anderen nicht mit sich runter ziehen wollen.
Vignetten skurrilen Humors heben die unerwartete ernsthafte Stimmung Hubert Charuels unprätentiösen Jugenddramas. Dessen Kernthema befasst sich mit selbstzerstörerischen Impulsen und toxischen Beziehungen statt in einer Partnerschaft im platonischen Kontext. Das unverfälschte Spiel der Hauptdarsteller vermittelt glaubhaft deren Verbundenheit, die an den harschen Gegebenheiten kaputtgeht. Konservative Ideale von beruflicher Stabilität und gesellschaftlicher Eingliederung entpuppen sich als falsche Versprechungen. Ein vager Hoffnungsschimmer in diesem atmosphärisch und perspektivisch trüben Szenario ist die unerwartete Unterstützung Fremder und die Kraft der Freundschaft.
- OT: Meteors
- Director: Hubert Charuel
- Year: 2025