Die titelgebende Topographie Danzuka Yuigas symbiotisches Spielfilm-Debüts ist nicht nur Tokios sich rapide und oftmals rücksichtslos verändernde Stadtlandschaft, sondern auch das veränderte emotionale Terrain der Hauptfiguren. Deren diffizile Familiensituation etabliert der Regisseur und Drehbuchautor in einer Rückblende, als die vierköpfige Familie einen gemeinsamen Urlaub außerhalb der Stadt verbringen will. Während der 12-jährige Ren und seine sechs Jahre ältere Schwester Emi beschäftigt sind, streiten Architekt Hajime (Kenichi Endo) und seine Frau Yumiko (Haruka Igawa) über seine ständige berufsbedingte Abwesenheit.
Yumiko ist in der Szene fast immer im Schatten, als sei sie schon halb fort, bevor ihr Tod sie unwiederbringlich aus dem Familiengefüge entfernt. Zehn Jahre später leben Emi (Mai Kiryu) und Ren (Kodai Kurosaki) in Tokio, wo ihr zum Star-Architekten aufgestiegener Vater eine Ausstellung hat. Als Ren ihn zufällig trifft, hofft er den abgebrochenen Kontakt wiederherzustellen. Doch die Vergangenheit lässt sich nicht ohne weiteres rekonstruieren. Hajimes Beruf markiert seinen elementaren Einfluss auf die seelische und soziale Struktur der Familie.
Ihre Erfahrungen hat er ebenso mitgeformt wie ihr urbanes Umfeld. Dessen unterkühlter Funktionalismus spiegelt Hajimes emotionale Kälte. Jene wiederum scheint exemplarisch für den gleichgültigen Umgang der Menschen. Die Bevölkerung lebt dicht beieinander, aber nicht näher zusammen. Das illustrieren symbolträchtige Szenen, in denen Nebenfiguren unvermittelt eine tragende Rolle übernehmen. Eigentlicher Fokus der architektonischen Allegorie ist jedoch der urbane Raum: eine zugleich individuelle und seltsam seelenlose, rapide wachsende und doch starre Sphäre, in der sich die bedächtige Kamera immer wieder verliert.
Die bewusste Langsamkeit und reduzierte Handlung geben Danzuka Yuigas kargem Familiendrama ein Air von Schwerfälligkeit und Stagnation im Gegensatz zu seiner expandieren Großstadtkulisse. Deren auf Effektivität und Profitabilität ausgerichteten Räume katalysieren die zwischenmenschliche Entfremdung, die auch die verwandtschaftlichen Verbindungen der zentralen Figuren unaufhaltsam erodiert. Die erdrückende Zentrierung der baulichen Strukturen verläuft konträr zur Desintegration menschlicher Gemeinschaften. Ruhige, fokussierte Kamerabilder akzentuieren die metaphorische Funktion der Bauwerke, inmitten derer die Charaktere verschwindend klein wirken. Topografischer Totalitarismus beherrscht alles – auch die Inszenierung.
- OT: Miwarashi sedai
- Director: Danzuka Yuiga
- Year: 2025