Die literarische Originalität, die der Virginia Woolfs gleichnamige Roman-Protagonistin referenzierende Titel evoziert, scheint gleich doppelte Ironie. Nicht nur das so benannte AI-Programm, das Jugendbuch-Autorin Clarissa (Cécile de France) beim Verfassen ihres ersten richtigen Romans unterstützen soll, ist das Gegenteil solcher menschlicher Intelligenz, auch Yann Gozlans aberwitziger Technophobie-Thriller. Dessen formelhafte Story klingt selbst wie ein Prestige-Produkt von ChatGTP. Einer Hightech-Version davon gleicht die Computer-Stimme (Mylène Farmer) in Clarissas Künstler-Residenz.
In dem von einer angeblich Talentförderung verschriebenen Organisation zur Verfügung gestellten Smart-Home-Apartment arbeitet sie unter wachsendem Druck der Direktorin Anne Dewinter (Anna Mouglalis) an einer Story über Virginia Woolf. Deren tragische Figur scheint ein unbewusstes Protagonisten-Pendant ihres früh verstorbenen Sohnes Lucas. Er suchte sein Ende ebenfalls in den Wellen, die in der Eröffnungsszene um Clarissa rauschen. Tatsächlich sind die Meereswogen eine schlaffördernde Simulation Dalloways. Deren Triggern unterdrückter Trauer impliziert die übergriffigen Facetten der AI, die damit Clarissas Schreibblockade löst.
Ein Treffen mit ihrer jungen Bewunderin Mia (Freya Mavor), die angeblich während des Studiums mit Lucas zusammen war, lässt die Worte noch mehr fließen. Residenz-Kollege Mathias (Lars Mikkelsen) warnt indes vor dem gefährlichen Potenzial der AI. Jene soll angeblich den Intellekt der Kunstschaffenden aufsaugen, um „Kunst“ am Fließband zu produzieren. Der Feind ist eine beunruhigend realitätsnahe Union kommerziellen und computertechnologischer Bedrängnis: der Druck, möglichst viel möglichst schnell zu liefern und die Vereinnahmung des eigenen Kreativ-Gebiets durch AI.
Das zeitgemäße Konzept ist durchaus unterhaltsam und in Thierry Flamands elegantem Produktionsdesign kongenial verpackt. Der postmoderne Minimalismus des Hightech-Residenzheim verbindet individualisierten Komfort mit seelenloser Synthetik. Der Verzicht auf umständliche Special Effekts erdet das dezent kommerzkritische Science-Fiction-Szenario, das sich ebenso mit Trauer und Depression befasst. Auf dem Papier – oder Bildschirm – klingt das alles wunderbar, nur zeigt Gozlan weder Gespür für unheimliche Atmosphäre noch psychologische Untiefen. Was beängstigend sein soll, kippt in absurde Komik, ohne das satirische Potenzial auszuloten.
Dass Yann Gozlans Skript auf Tatiana de Rosnays Novelle „Flowers of Darkness“ basiert, statt auf einem Schreibprogramm, ist fast schade. Es wäre die perfekte Reklame für das überambitionierte Midnight Movie und würde erklären, warum dessen bewährte Tropen und zeitaktuelle Einfälle in narrativen Floskeln versanden. Psychologische Klischees verflachen die patent gespielten Figuren. Motive werden aufgeworfen, aber nie ergründet, Nebenstränge laufen ins Leere. Die essenziellen Fragen um Kunst, Kreativität und Inspiration werden übergangen. Was bleibt ist eine seelenlose Hochglanz-Hülle.
- OT: Dalloway
- Director: Yann Gozlan
- Year: 2025