Warum lassen sich Leute, die so ziemlich alles haben, was man sich denken kann – Geld, Status, Karriere, Freund*innen, Schönheit – auf desaströse Unterfangen ein? Die Frage stellt sich ebenso über die Titelfigur Thierry Klifas manierierter Milieu-Skizze wie über Isabelle Huppert. Deren Status als Grand Dame des Kinos hat zumindest Anklänge an den ihrer Protagonistin. Eigentlich eine profitable Parallele für dramaturgische und darstellerische Anspielungen. Doch Klifa ist nicht der Regisseur für Meta-, Sub- oder Kontexte und sein jüngstes Werk kein Film, der Reichtum und Macht hinterfragt.
Ein maßgeblicher Schwachpunkt bei einer von realen Ereignissen inspirierten Story, die genau dies verspricht. Huppert verkörpert Marianne Farrère, für die es in der prologartigen Rahmenhandlung ein herbes Erwachen gibt. Polizeibeamte frieren ihr Vermögen ein und verhaften ihren Dauergast Pierre-Alain (Laurent Lafitte hemmungslos chargierend), angeblich zum Besten Mariannes, die als Leiterin eines milliardenschweren Kosmetikkonzerns trotz allem makellos gestylt aussieht. Eine umfassende Rückblende zeigt die Ereignisse bis zu dieser erniedrigenden Eskalation, in der Pierre-Alain wegen „Abus de faiblesse“ (systematische Ausbeutung emotionaler oder mentaler Schwäche) angeklagt wird.
Der parasitäre Pseudo-Künstler will angeblich nur Mariannes Millionen. Davon hat sie zugegebenermaßen genug und folglich eine Entourage mit monetären Interessen. Eine Ausnahme ist Tochter Frédérique (Marina Foïs), dargestellt als mausiges Gegenteil ihrer glamourösen Mutter. Zweite verpacken Kostüm-Designer Jürgen Doering und Laure Villemer in kostspielige Stillosigkeit, während Frédériques Helm-Perücke und Lehrerinnen-Brille „Spaßbremse“ schreien. Implizit motiviert ihr Unterbinden Mariannes Beziehung zu Pierre-Alain, dem sie enorme Geldsummen schenkt, Eifersucht. Sie neidet ihm die Zuneigung der ihr gegenüber unterkühlten Mutter und schwärmt zu Beginn selbst heimlich für ihn.
Zweites wirkt bereits kurios, da der blasierte Möchtegern-Dandy offen schwul und in einer Beziehung ist. Vor allem jedoch aufgrund seines abstoßenden Wesens. Aggressiv arrogant, vulgär, laut, talentlos, heuchlerisch und offensichtlich opportunistisch, ist Pierre-Alain allen verhasst außer Marianne. Sie amüsiert sein beleidigendes, selbstverliebtes Auftreten gegenüber Angestellten und allen, die er als rangniedriger betrachtet. Klifa ist offenbar ebenfalls angetan und zelebriert die menschenverachtende Megalomanie der Elite als sei sie erfrischend schelmisch. Die Neurosen und Nichtigkeiten der Privilegierten werden stilisiert der triefend melodramatisch Soundtrack und die plakative Kamera zu weltbewegendem Drama.
Von letztem findet sich jedoch keine Spur in der arrivierten Seifenoper. Deren reale Vorlage lieferte die Bettencourt-Affäre. Die verschaffte L’Oreal-Erbin Liliane Bettencourt aufgrund illegaler Zahlungen an Fotograf Francois-Marie Banier unrühmliche Bekanntheit. Die Multimillionärin förderte allerdings auch rechts-konservative Regierungsbeamte um (und wahrscheinlich auch) Nicolas Sarkozy. Nicht nur dieses unschöne Detail übergeht der Regisseur und Co-Drehbuchautor. Seine seichte Sitten-Komödie will das Gegenteil der Satire, als die es sich ausgibt. Korruption und charakterliche Verworfenheit der One Percenter werden nicht karikiert oder kritisiert, sondern indirekt banalisiert und legitimiert.
Der wahre Gerichtsfall, der Thierry Klifa als Grudlage seines seichtes Sensationsdrama dient, ist wie geschaffen für hochkarätiges Gesellschaftsdrama oder campy Trash. Die platte Inszenierung mit der glattgebügelten Akkuratesse einer Vorabend-Serie beraubt ihr Material ihrer sozialen Relevanz, politischen Brisanz und dramaturgischen Substanz. Als sei plutokratischer Populismus ein Relikt der Vergangenheit, wird das peinlich plump geschauspielert Szenario von 2010 in die 80er verlegt. Der satirische Nimbus suggeriert, der Geldadel sein nicht unantastbar, doch die Inszenierung beweist das Gegenteil. Hupperts Talent ist hier ebenso fehlinvestiert wie ihrerzeit Bettencourts Gelder.
- OT: La femme la plus riche du monde
- Director: Thierry Klifa
- Year: 2025