Über die Jahre ist um József Gémes animiertes Heldenepos ein ebenbürtiger Mythos entstanden wie um dessen sagen sagenumwobenen Hauptcharakters Miklós Toldi. Der ungarische Recke, der lange für eine rein mythologische Figur gehalten wurde, aber laut jüngerer Erkenntnisse zumindest auf einer realen historischen Person basiert, gehört in seinem Heimatland zum Nationalgut. Das Gleiche gilt für Gémes opulentes Heldenepos, dessen aufwendiger Schaffensprozess den Regisseur und ein kleines Animations-Team gut vier Jahre kostete. Die integrative Form ist ideosynkratischer Teil eines Werks, das sich jeder kinematischen Klassifizierung entzieht.
Die quasi-historische Handlung, die zahlreiche Elemente kanonischer Rittergeschichten aufgreift, ist gegenüber den imposanten Szenengemälden ernüchternd konventionell. Schon als Heranwachsender träumt Miklós vom Rittertum. Doch nach einem Mord im Affekt beginnt er seinen wechselhaften Weg auf der Flucht vor dem Gesetz. Der Ruhm seiner herkulischen Heldentaten, darunter denen das Bezwingen eines wütenden Bullen und zweier Wölfe, führen ihn an den Königshof. Übermenschliche Stärke macht ihn nahezu unbezwingbar, doch sein aufbrausendes Temperament wird ihm wiederholt zum Verhängnis.
„Das Schicksal erhebt einen und schlägt einen nieder“, tönt Gyula Szabós pathetischer Off-Kommentar, der aus Toldis Perspektive auf das Geschehen zurückblickt. Ganz ohne Dialoge spricht die martialische Inszenierung darüberhinaus allein durch den epischen Score und die grandiose Optik. Während die Mimik der schemenhaften Figuren kaum erkenntlich ist, sprechen die heftigen Emotionen aus der dichten Atmosphäre und den detailreichen Szenarien. Jene erscheinen mal bedrohlich düster, mal als friedfertiges Idyll. Kampf, Liebe und Ehre bestimmten die prototypische Heldenreise.
Die nur minimal bewegten Bilder, die an klassische Ölgemälde erinnern, wurden auf Glasplatten gezeichnet. Da die Anzahl der Platten begrenzt war, wurden fertiggestellte Szenen übermalt. Durch diese spezielle Technik scheint das Werk umso fester verankert in seiner Zeit. Der Protagonist ist in seinem tragischen Heldentum unantastbar. Die heroisierende Gravitas, die bereits im Titel anklingt, verleiht dem hehren Narrativ den ambivalenten Beigeschmack nationalistischen Jingoismus. Die wuchtige Ikonographie kennt keine Leichtigkeit. Jede Szene ächzt unter musealer Martialik.
Visuell ist József Gémes‘ legendäre Leinwandsaga unbestreitbar beeindruckend. Nahezu jede der ausschließlich von Hand gezeichneten Szenen gleicht einem kleinen Kunstwerk, reich an historischen Details und frei von jeder kommerziellen Verniedlichung. Die harsche Ritterhistorie richtet sich klar an ein intellektuell waches Kinderpublikum und Erwachsene. Mord, Todschlag und Krieg prägen die brutale Mittelalterwelt, deren Wertkodex von Stolz, Stärke und Obrigkeitstreue nie hinterfragt wird. Die Kanonisierung dieses ästhetisch grandiosen, doch intellektuell dumpfen Heroismus bleibt so ambivalent wie der Film.
- OT: Daliás idök
- Director: József Gémes
- Year: 1984