Knapp 20 Jahre, nachdem Oliver Rihs seine episodische Berlin-Ballade Schwarze Schafe vorlegte. Das ist ein bisschen traurig. Nicht, weil der 2006er Vorgänger-Film so furchtbar gewesen wäre, sondern weil dadurch der Nimbus des anarchischen Independent-Projekts endgültig verpufft. Der nunmehr erste Teil war in schwarz-weiß gedreht und bewusst ohne Gage für das prominente Ensemble umgesetzt. Erstes, um die alternative Aura zu betonen, zweites um die künstlerische Freiheit zu bewahren. Künstlerisches gab es im Endprodukt wenig, Freiheit dafür umso mehr.
Der chaotische Charme des Vulgär-Klamauks lag allein in dem erweckten Eindruck, dass die Darstellenden-Riege machte, was sie wollte. Die Fortsetzung präsentiert sich nun in übersättigter Farbigkeit. Die stickige und klebrige Optik soll den Klimawandel, der dem Kreuzberger Klan-Chef Amir (Yasin El Harrouk) körperlich und mental zu schaffen macht. Er will den ersten grünen Klan auf die Beine stellen. Der zum Krabbenfischer umgesattelte Alki Peter (Milan Peschel) hingegen nur einen Krabbenbrötchen-Stand. Sonst verlässt ihn seine Liebste Charlotte (Jule Böwe), die inzwischen mit ihm einen daueraggressiven Sohn namens Sid hat.
Böwe und Peschel sind die einzigen bekannten Gesichter aus dem ersten Teil, die erneut in ihre alten Rollen schlüpfen. Dafür trifft Charlotte beim Spielzeug-Klau für Sids Geburtstag Jella Haases gelegenheitskriminelle Gender-Plüschpuppen-Schneiderin und die zwei machen mit Kreditbetrug einen drauf. Dazu mimt Frederick Lau Haases Film-Bruder, einen als Imker mit Drogenproblemen und Speed-Bienen. Etwas mehr Handlung als im sketchartigen Erstling gibt es. Dieses Mehr an Struktur geht allerdings zu Lasten der Spontanität und Improvisation. Macht aber nichts, hier geht es sowieso nur um die Schauspielenden.
“Dit is Berlin”, sagt ein Münchner Antagonist in einer Szene Oliver Rihs schrägen Sequels zu seinem zwei Dekaden alten Ensemble-Episoden-Experiment. Ein Hashtag und der zusammenhängende Titel signalisieren klar, dass die demonstrative Distanzierung zum Mainstream gestern war. Jetzt soll es möglichst Zeitgeistes zugehen und das Berlin-Bild als Heimat exzentrischer Trash-Typen bedienen. Der Erfolg ist vergleichbar mit dem erwähnten Touri-Berlinern: Mehr ein Beweis von Anbiederung als Authentizität. Das echte Berlin ist eben spießig, konservativ und zunehmend elitäre und die hauchdünne Toleranz nur eine Marketing-Masche. Genau wie das Anarcho-Air in Rihs Schaf-Sequel.
- OT: #SchwarzeSchafe
- Director: Oliver Rihs
- Year: 2025