Der Schatten der diktatorischen Vergangenheit liegt schwer über Alexandra Makarovás stillem Drama über Schuld, Selbstentfremdung und weiblichen Widerstandsgeist in der Spätphase des Kalten Krieges. Angelegt im Jahr 1981 zwischen Wiens pompöser K.u.K. Architektur und der sozialistischen Tristes der provinziellen Tschechoslowakei, wächst die Handlung aus biografischen Elementen der eigenen Familiengeschichte Makarovás, die ihre Erzählung mit der Präzision einer Miniaturmalerin komponiert. Es sind nicht große Gesten, sondern Blickachsen, Schatten, das Zögern vor einer Tür, die der Komposition aus Charakterstudie und Zeitbild eine zurückgenommene Intensität geben.
Emotionales Zentrum der reduzierten Inszenierung ist die slowakische Emigrantin Perla (von Rebeka Poláková mit bemerkenswerter Zurückhaltung verkörpert), aufstrebende Malerin und alleinerziehende Mutter einer zehnjährigen Tochter. Julia, in der ein in der Familie liegendes Musiktalent zur vollen Entfaltung kommt, wird zum psychologischen Momentum in der vorbelasteten Beziehung der Titelfigur zu Julias Vater Andrej (Noël Czuczor). Er bittet Perla ein letztes Mal zurückzukehren, um Julia vor seinem nahenden Krebstod einmal zu sehen. Die Reise zurück über die Grenze wird zur Konfrontation mit verdrängter Schuld und nie verheilten Wunden.
Begleitet von ihrem neuen Partner Josef (Simon Schwarz) reist Perla unter falscher Identität in eine Welt schmerzlicher Erinnerungen, in denen sie unmerklich ertrinkt. Mit jedem Tag wird der Aufenthalt riskanter, doch Perla sieht die Gefahr nicht. In das Trauma mischt sich perfide Nostalgie, die sie mit vermissten Kontakten und vertrauten Geschmäckern einlullt. Polákovás Darstellung ist ein feines Geflecht aus Verletzbarkeit und innerer Unbeugsamkeit. Das repressive Politklima unterstreichen Bilder von strenger Eleganz. Kameramann Georg Weiss rahmt die Protagonistin in kühle, klaustrophobische Innenräume. Selbst ein Luxushotel wirkt wie ein Gefängnis.
Die Farbpalette ist gedämpft, fast pastellhaft entsättigt – ein Spiegel der inneren Erstarrung. Der Raum wird zur zur Architektur des Unbewältigten, die Spektakel mit wenigen Ausnahmen bewusst verweigert. Die Brutalität des kommunistischen Systems fußt auf einer patriarchalischen Gewaltkultur, die sich in übergriffigen Brauchtum entlädt. Die Musik wird zum dezenten, doch prägenden Stimmungsgeber dieses kontrollierten Tableaus. Trotz emotionaler Distanz überwiegt die dichte Atmosphäre unterschwelliger Beklemmung in Alexandra Makarovás Studie der Grenzüberschreitungen – räumlich, historisch, emotional. Über allem liegt die Frage, wie viel Vergangenheit eine Gegenwart aushält.
Die Mechanismen staatlicher Kontrolle und die psychologischen Spätfolgen autoritärer Systeme sind das zeitlose Momentum Alexandra Makarová Chronik seelischen Exils. Formal reduziert und psychologisch präzise zeigt die Regisseurin und Drehbuchautorin wie Ideologie in intime Beziehungen eindringt und Loyalität und Selbstvorwürfe zu intimen Waffen werden. Weiblicher Autonomie wird hier nicht nur vom historischen Trauma diktatorischer Machtausübung bedroht. Das schauspielerisch starke Seelendrama entfaltet in seiner konzentrierten Atmosphäre ein beklemmendes Porträt innerer Zerrissenheit im Schatten totalitärer Kontrolle – ein eindrückliches Zeugnis darüber, wie der Staat bis ins Private und Emotionale hineinwirkt.
- OT: Perla
- Director: Alexandra Makarová
- Year: 2025