In dem deskriptiven Zwischenzustand, den der Titel Milena Czernovskys und Lilith Kraxners observativer Charakterstudie beschreibt, befinden sich nicht nur die Figuren und die Farbpalette, sondern der Film selbst. Die sorgsame Anordnung in langen, oftmals starren Einstellungen gefilmter Alltagsmomente wandert auf der Grenze zwischen Figurendrama und filmischer Installation. Eine Handlung im klassischen Sinn existiert nicht. Auch eine Story ergibt sich nicht aus den mit maximaler Zurückhaltung registrierten Szenen. Aufmerksam, doch unaufdringlich verfolgen sie die unspektakulären Tagesabläufe zweier junger Menschen. Dokumentarisch anmutende Sachlichkeit schafft eine abstrahierende Distanz, die auch räumliche Nähe nicht überwindet.
Deren gegensätzliches Temperament ist noch der prägnanteste Kontrast in der cineastischen Chronik potenzierter Monotonie. Errol (eine dezent verletzliche Leonie Bramberger) wirkt still und introvertiert, wenn sie einem Zoom-Lehrgang verfolgt, mit den Gedanken scheinbar weit weg. Im Schwimmbad zieht sie allein Bahnen, offenbar eine tägliche Routine. Dialogfetzen verlieren sich in den Hintergründen, ohne sie einzubinden. Errol schlendert durch den städtischen Schauplatz Wien und lässt in einer spielerischen Interaktion mit einem Kind vage eine Sehnsucht nach sozialem Kontakt durchschimmern. Obwohl Errol physisch in Bewegung bleibt, vermittelt ihre emotionale Isolation eine Haltung seelischer Stagnation.
Im Gegensatz dazu scheint die lebhafte Sasha (Natasha Goncharova) ständig in Kommunikation verwickelt. In einer Mischung aus Russisch und Englisch unterhält sie sich am Handy und auf Partys, stöbert durch Vintage-Shops und Kunstgalerien. Doch jede Interaktion bleibt oberflächlich und unverbindlich. Unter der äußerlichen Geselligkeit verraten flüchtige Gesten und verlorene Blicke eine stille Sehnsucht. Bluish bezeichnend letztlich auch einen emotionalen Zustand; eine unbestimmte Traurigkeit. Im Erkunden der geteilten Einsamkeit, die beide Figuren allein oder in der Menge spüren, liegt eine subtile Kraft. Doch diese reicht kaum, die 80 Minuten Laufzeit zu füllen.
Frostige, metallische Blautöne, in denen die statischen 16mm-Aufnahmen schillern, spiegeln die unterkühlte Gefühlswelt Lilith Kraxners und Milena Czernovskys präzisen Psychogramms. Dessen jugendliche Protagonistinnen driften durch ein winterliches Wien, in dem die sozialen Spuren des Lockdowns allgegenwärtig scheinen. Auf eine greifbaren Plot verzichtet das Regie-Duo ebenso wie auf eine Spannungskurve und Humor. Ihre seelische Kartographie hat die klinische Nüchternheit einer medizinischen Untersuchung. Die monochrome Farbgebung und stilistische Reduktion reflektieren die psychische Abgrenzung der Charaktere, die selbst dem Publikum niemals nahe kommen.
- OT: bluish
- Director: Milena Czernovsky, Lilith Kraxner
- Year: 2024