Das Beste zum Schluss. Das Karlovy Vary International Film Festival, dessen 59. Ausgabe am Samstag zu Ende ging, war schon fast abgehakt, als Stellan Skarsgård auf Ingmar Bergman zu sprechen kam. Der schwedische Filmemacher sei der einzige, der weinte als Hitler starb, gewesen, und auch sonst: „nicht nett“. „We kept excusing him, but I have a feeling he had a very weird outlook on other people.“ Das sind noch milde gewählte Worte von Skarsgård, der einen Crystal Globe for Outstanding Artistic Contribution erhielt. Immerhin machte Bergman nie einen Hehl aus seinen Sympathien. Hitler befand er für „charismatisch“, den Nationalsozialismus für „spaßig und jugendlich“.
Dass der kritische Kommentar ausgerechnet von Skarsgård kommt, der in seinem filmischen Beitrag patriarchalische Werte und Traditionalismus zelebriert, noch dazu in einer von Bergman inspirierten Story, passt zur Ambivalenz des Festivals. Karlovy Vary ist zwar stolz auf ein relativ junges Publikum, strebt jedoch ebenso nach dem Elitarismus und Konservativismus von Cannes und Venedig. Wie dessen Nachwuchsausgabe wirkt es bisweilen mit Black Tie Events, die unmissverständliche Klassengrenzen ziehen, und einem wachsenden Fokus auf elitärer Attitude. Ob das die großen Stars in den gediegenen tschechischen Spa-Ort zieht, bleibt abzuwarten. Die Prominenten-Präsenz war dieses Jahr noch spärlich gesät. Neben Skarsgård waren Vicky Krieps, Dakota Johnson, Peter Sarsgaard und Michael Douglas anwesend.
Niemand von ihnen kam anlässlich einer Film-Premiere. Die Mehrheit der cineastischen Highlights und begehrtesten Vorführungen gehörten Werken aus Cannes, dessen Einfluss auch im Programm deutlich spürbar ist. Kreativen Raum für Debüt-Werken und Zweit-Features aufstrebender Filmschaffender bot dafür der Wettbewerb. Der war eine unebene Mischung, mehr auf progressiven Anschein zugeschnitten als progressive Inhalte. Die konservativen bis aggressiv bigotten Untertöne von Werken wie Broken Voices, Cinema Jazireh, Don‘t Call Me Mama, Out of Love und When a River Becomes a Sea sowie der Fokus auf weiße cis männliche Stimmen aus privilegierten Gesellschaftsschichten sprachen lauter als vereinzelte zeitkritische Anklänge aus den Nebensektionen.
Der Gewinner des Crystal Globe, Miro Remos Doku-Hybrid Better Go Mad in the Wild, hatte den gefälligen Gestus eines Konsens-Preises. Filmisch spannender und preislich treffender war dafür die Proxima Competition, die wichtigste der Nebensektion, in der Mahde Hasans dystopisches Drama Sand City ausgezeichnet wurde. Unter den über 200 Filmen, die sich in den neun Festival-Tagen drängeln, waren nationale Produktionen auffällig stark – allerdings mehr in der Präsenz als der filmischen Qualität. Ein wirkliches Gegengewicht zur Orientierung an Cannes stellt dieser Schwerpunkt nicht dar. Sowohl das französische Festival als auch der tschechische Kino-Kanon sind fest in der Vergangenheit verwurzelt. Dort die Zukunft zu sehen, ist durchaus zeitgeistig – nur nicht unbedingt im guten Sinn.