Kinder spielen ausgelassen am Strand, Menschen drängen sich über einen geschäftigen Marktplatz, Passanten laufen eilig entlang der Einkaufsstraßen, in denen die meisten Geschäfte geschlossen sind. Die wirtschaftliche Situation sei sehr angespannt seid der letzten Intifada, berichtet der Taxi-Fahrer. Viele Laden-Betreibende haben es aufgegeben, zu öffnen, wenn doch keine Kundschaft kommt. Die Handkamera gleitet hin und her zwischen den Außenansichten, die durch die Autofenster vorbei ziehen, und dem Fahrer, der sie gelegentlich kommentiert. Es ist eine seltsam gespenstische Reise, auf die er das Kinopublikum führt: eine Tour in eine zerstörte Welt.
Kamal Aljafaris archivarische Rekonstruktion ist kein klassischer Dokumentarfilm, mehr eine filmische Séance, die eine längst vergangene Realität heraufbeschwört. Das Material filmte der Regisseur 2001 in Gaza. Die Wiederentdeckung der drei in Vergessenheit geratenen MiniDV-Kassetten bildete die Grundlage für ein zugleich tief persönliches und zeitgeschichtlich universelles Werk. Ohne Off-Kommentare oder erklärende Texte entfaltet sich das Material nahezu in Echtzeit. Die Chronologie und ursprüngliche Struktur der Kassetten blieben unverändert, um dem organischen Fluss des Originals keine von gegenwärtigen Eindrücken beeinflusste Neuordnung aufzuzwingen. Am Anfang steht ein Versprechen: die Suche nach einem früheren Zellengenossen.
Um den Menschen, mit dem er 1989 inhaftiert war, wiederzufinden, kehrt Aljafari zurück nach Gaza und begegnet dort einer Landschaft, die vertraut und fremd zugleich scheint. Begleitet wird er von Hasan, einem Guide, dessen weiteres Schicksal sich unbekannt bleibt. Gemeinsam reisen sie von Norden nach Süden. Die visuelle Sprache ist ungeschliffen und kondensiert: Straßenszenen, Autos, Menschen, flüchtige Alltagseindrücke, in denen der Filmemacher selbst meist nur schemenhaft im Rückspiegel auftaucht. Jene Fragmente sind weniger poetisches Elegie als konservierte Impressionen – Artefakte eines Gaza, dessen Menschen, Routinen und Bauwerke der Terror ausgelöscht hat.
In Tradition seiner früheren Werke wie A Fidai Film und Recollection, die sich mit Archiven, Erinnerung und postkolonialer Repräsentation auseinandersetzen, schafft Kamal Aljafari ein dokumentarisches Road Movie zwischen Reliquie und Requiem. Die Route, die der Regisseur und sein Reiseführer zurücklegen, wird zum dynamischen Querschnitt durch eine Topographie der Erinnerung. Die naturalistische Tongestaltung nutzt den Kontrast zwischen Lärm und Stille, Klarheit und Verzerrung, um Abwesenheit und Verlust zu betonen. Gegenwart und Vergangenheit, Erinnerung und Vergessen überschneiden sich in einem restaurativen Zeitdokument, das gerade durch formale Schlichtheit der assoziativen Komplexität Raum gibt.
- OT: With Hasan in Gaza
- Director: Kamal Aljafari
- Year: 2025