Nächtliche Dunkelheit, die um die karge Existenz der Figuren herum die ganze Welt zu verschlingen scheint. Prophetische Träume, deren mystische Motive sich in der surrealen Landschaft wiederfinden. Requisiten, die zu geheimnisvollen Symbolen von Tod und Selbstfindung werden. Sofia Petersens spukhaftes Spielfilm-Debüt entfaltet sich auf der Leinwand als poetische Phantasmagorie, die sich ebenso sehr über ihre visuelle Choreographie erschließt wie über die reduzierte Handlung. Jene entfaltet sich in einem entlegenen Ort im Feuerland des ausgehenden 19. Jahrhunderts.
Dort lebt die junge Titelfigur (Tina Sconochini) mit ihrem Vater (Dario del Carmen Haro Santana) in einer einsamen Hütte in den Bergen. In einem beunruhigenden Traum sieht Olivias Vater das Schlachthaus, in dem er arbeitet, in Flammen. Als er am Tag darauf verschwindet, steigt seine Tochter ins Tal hinab, um ihn zu suchen. Es wird eine Reise aus einer behüteten Kindheitswelt in eine buchstäblich blutige Realität, in der Tod ein Handwerk ist, und Grausamkeit Routine.
Vollständig auf 16 mm Ektachrome gedreht, wird die plastische Textur der Bilder zum eigenen narrativen Element. Die formale Reduktion der visuellen Sprache, die partiell an Schattenspiele und eine Laterna Magica erinnert, gewinnt durch ihre gezielte Reduktion an traumgleicher Expressivität. Jeder Bildausschnitt atmet mit malerischer Präzision und offenbart Petersens Faszination für die Materialität der analogen Fotografie. Owain Wilshaw atmosphärische Kameraführung taucht die raue Landschaft in dunkle Blau- und Brauntöne und verleiht Olivias Reise eine halluzinatorische Qualität.
Der großzügige Einsatz von langen Einstellungen und minimalem Dialog unterläuft sanft die konventionelle Erzählstruktur, gleitet von einer intuitiven Logik aus Mythos und Erinnerung. Tina Sconochini definiert die Titelfigur durch eine innere Ruhe als stille Beobachterin, deren Blick den des Publikums spiegelt. Ihr Abstieg aus den Bergen wird zur spirituellen Odyssee, auf der die Umgebung für ihre unausgesprochenen Ängste und Hoffnungen sprechen. Haptische Bilder tauchen den rauen Süden Patagoniens in nebelhafte Melancholie, aus der die Protagonisten stärker und schwermütiger hervorgeht.
Mit einem winzigen Team von sechs Personen und rund dreißig lokalen Laien-Darsteller:innen erschafft Sofia Petersen eine seltene Authentizität und Integrität, die sensorische Unmittelbarkeit über didaktische Erklärungen stellen. In der geisterhaften Szenerie sind Schönheit und Schrecken zwei Seiten einer Medaille sind. Strenge symmetrische Kompositionen bergen leise Romantik und universelle Symbolik. Diffuses Licht und Schatten unterstreichen die Kernmotive ausgeblendeter Brutalität und verborgenen Grauens. Szenen zerfallen oder verschwimmen in einer Geschichte, die mehr Fabel ist als ländliches Drama.
- OT: Olivia
- Director: Sofía Petersen
- Year: 2025