Monströse Mutation wird zum Sinnbild revolutionärer Resistenz und ökologische Verschmutzung zur Analogie toxischer Indoktrinierung in Syeyoung Parks hypnotischem Sci-Fi-Schauermärchen. Dessen dystopische Story entspinnt sich im Korea einer bedrohlich nahen Zukunft, in dem ökologische Verseuchung den urbanen Raum und seine Bewohnenden sichtbar beschmutzt. Alles in dem klaustrophobischen Setting ist verdreckt: das industrielle Straßenlabyrinth, das einer einzigen gigantischen Fabrikhalle gleicht. Kleidung und Körper der Bevölkerung, die nur künstliches Wasser zur Verfügung hat. Vor allem aber der Geist der Bevölkerung, der öffentliche Anzeigen und Lautsprecher-Durchsagen ununterbrochen Propaganda eintrichtern.
Ungiftiger Regen und sauberes Wasser ist nur eines der unerreichbaren Versprechen einer allmächtigen Partei in diesem düsteren Schreckensszenario, in dem menschengemachte Giftstoffe eine neue Unterschicht geschaffen haben. „Omega“ heißen die in Ghettos eingepferchten Menschen, denen Mutationen amphibische Züge verleihen. Mia (Yeji Yeon) ist eine dieser Ausgegrenzten, die das totalitäre Regime als Zwangsarbeitende ausbeutet. Ihre Inkognito-Existenz gerät ins Visier der jungen Staatsbeamtin Sujin (Pureum Kim). Doch die Tochter einer prominenten Anti-Omega-Aktivistin zweifelt selbst immer mehr an der Ideologie, für die ihre Mutter eintrat.
Sepia-Filter und diesiges Licht tauchen das erstickende Szenenbild in kränkliche Gelbtöne und schaffen zugleich ein beständiges Zwielicht, das die Atmosphäre von Verborgenheit, Randexistenz und staatlicher Verschleierung verstärkt. In der suggestiven Szenerie verschmelzen trister Realismus und traumartige Abstraktion. Lochblenden, kolorierter Film und monochrome Farbskalen verleihen der hypnotischen Bildsprache Parks, der auch die Kamera übernahm, die surreale Spukhaftigkeit expressionistischer Stummfilme. Gedrungene Aufnahmen, beengende Bauten und geringe Tiefenschärfe wecken ein Gefühl physischer Beklemmung. Diese greifbare Bedrängnis spiegelt die Unterdrückung der Omega, deren Stigmatisierung historische Ausgrenzung aufgreift.
Die Angst vor der Veränderung, welche die Omega verkörpern, manifestiert sich auch in der bitter-süßen Nostalgie, in der die Bevölkerung ihren Kummer ertränkt. Die Sehnsucht nach einer unwiederbringlich verlorenen Vergangenheit wird ideologisches Instrument der Mächtigen, die diese Welt zerstörten. Ruhiger Schnitt und zurückhaltendes Schauspiel verankern die Genre-Elemente im metaphorisch dichten Subtext der Mythen und Sagenwelt, die das Geschehen inspirieren. Die systematische Dämonisierung der Omega durch das autoritäre Regime zeigt die Entstehung von Legenden zur Rationalisierung und Romantisierung einer unerträglich grausamen Realität.
Die atmosphärische Verknüpfung politischer und historischer Faktoren mit einer Sagenwelt zeichnete bereits Syeyoung Parks Kurzfilme aus. Seine zweite Spielfilm-Arbeit liefert eine eindringliche Allegorie sozialer Segregation, politischer Propaganda und indoktrinierten Identitätsverlusts. Die staatliche legitimierte Entmenschlichung einer als “infiziert” betrachteten Gruppe bietet ebenso viele Anknüpfungspunkte wie die ökologische Thematik. Visuell beeindruckend und schauspielerisch präzise verwebt seine hintergründige Inszenierung gesellschaftliche Dringlichkeit mit mythischen Motiven von zeitloser Resonanz. Politisches Gleichnis, psychologische Ängste und mythische Elegie verschmelzen zu einer Sci-Fi-Fabel von gespenstischer Schönheit und poetischer Tiefe.
- OT: The Fin
- Director: Syeyoung Park
- Year: 2025