Die unterliegenden Themen und übergreifenden Formalismen, die bereits Dane Komljens zwei vorangehenden Spielfilm-Arbeiten prägten, bestimmen auch das jüngste Kinowerk des jugoslawischen Regisseurs. Ein ruhiger Fokus kreist mit ritualisierter Langsamkeit um zwischenmenschliche Zugehörigkeit, Identitätsfindung, sowie die unstete Wechselwirkung zwischen Historie und Mythen, ohne sie wirklich zu berühren. Das experimentelle Essay, das im diesjährigen Wettbewerb von Locarno seine Premiere feiert, verweigert sich dramaturgischer Kohärenz zugunsten symbolistischer Gesten. Psychologisches Porträt und impressionistische Bildsprache vermischen sich zu einem ermüdend unkonkreten Narrativ.
In dessen Zentrum steht Branko (Ivan Čuić), ein zurückgezogener Einzelgänger, der ziellos durch ein tristes Belgrad driftet. Er spricht kaum, beobachtet obsessiv seinen jüngeren Bruder. Dessen zwanghaftes Verhalten scheint ihm zunehmend rätselhaft und beunruhigend. Beim nächtlichen Cruising im Park er unterzieht sich sexualisierter Erniedrigung, die ebenso lustvolles Rollenspiel wie sadistische Selbstbestrafung sein könnte. Zweck der fetischistischen Sex-Szenen, die für die nachfolgenden Ereignisse keinerlei Bedeutung haben, scheint vor allem Schaulust und Provokation. Erst spät zeigt sich, dass Branko selbst Im Fokus dieser Desorientierung steht.
Eine unerwartete Nachricht einer Bekannten (Branka Katić) motiviert eine Reise aus dem urbanen Raum in eine entvölkerte Landschaft. Die Gestalten, die dem wie in Trance agierenden Protagonisten dort begegnen, scheinen weniger konkrete Personen als Projektionen innerer Zustände. Die Kamera Ivan Markovićs und Jenny Lou Ziegels kontrastiert die brutalistischen Betonflächen der Stadt mit den ruhigen, naturgewachsenen Formen der Berge. Dieses visuelle Spannungsfeld aus innerem Aufruhr und äußerer Leere bleibt indes ohne strukturelle Anbindung. Die versteckten Bahnen, auf denen Begehren, Nähe und Selbstwahrnehmung wandern, werden nie erkundet.
Schauspielerisch und stilistisch gleichermaßen distanziert, ist Dane Komljens abstrakte Mischung aus Psychogramm und Parabel eines jener arrivierten Arthouse-Werke, die sich bewusst hinter der eigenen filmischen Unzugänglichkeit verbarrikadieren. Weder fügen sich die ungleichen Akte des obskuren Diptychs zu einem größeren Ganzen, noch funktionieren sie als in sich geschlossenen Konstrukte. Jakov Munižabas asketische Tonspur vermischt die sonore Klangkulisse mit Umgebungsgeräuschen, die das eigenwillige Nebeneinander von Sachlichkeit und spirituellen Sinnbildern unterstreichen. Doch formale Verfremdung dient lediglich als leere Hülle, unter der weder existenzielle Erkenntnis noch psychologischer Tiefgang warten.
- OT: Linije želje
- Director: Dane Komljen
- Year: 2025