Die brutale Realität militärischen Terrors und systemischer Unterdrückung wird in Eran Kolirins zeitkritischem Beitrag zum Wettbewerb von Locarno zur absurden Komödie. Eine Handvoll Lose miteinander verbundener Episoden, gespielt von Schauspielstudierenden im dritten Jahr am Seminar Tel Avivs Hakibbutz im Colleges, fügen sich unter der Regie des renommierten israelischen Filmemachers zum parodistischen Prisma auf Israels Gegenwart. Unter den Darsteller*innen, zu denen Tal Perlman, Guy Nataf, Noa Cohen und Yonatan Shimoni gehören, genehmigt sich mit Yehezkel Lazarov sogar der Leiter der Hochschule einen Kurzauftritt.
Entsprechend zwiespältig, sowohl auf inszenatorischer als auch ideologischer Eben, geraten die surrealen Vignetten über einen Alltag zwischen Gewalt und Groteske, Ironie und Indoktrination. Eine klassische Dramaturgie ersetzte eine in sarkastische Sketche unterteilte Struktur, angelehnt an absurdes Theater. Zwar steht jede Episode für sich, doch wiederkehrende Motive wie ein bizarres Propaganda-Filmprojekt schaffen eine assoziative Verbindung. Jede Episode schildert eine exemplarische Situation, deren realistischer Rahmen stückweise zerfällt, bis selbst das Raum- und Zeit-Gefüge aus den Fugen gerät. Sinnlose Bürokratie, unsichtbare Demarkierungen und dramaturgischer Drill karikieren ein irrationales systemisches Strukturell.
Darin verwischen die Grenzen zwischen Armee und Zivilgesellschaft, Pop-Kultur und politischer Konditionierung verwischen. Lazarovs Figur einer Autoritätsperson, die widersprüchliche Anweisungen von oben erhält, personifiziert die sukzessive Erosion von Individualität durch Imperialismus. Dieses Mosaik aus Orientierungslosigkeit, lähmender Ordnung und stummem Chaos dient als ein Spiegelbild gesellschaftlicher Dysfunktion. Unter der stilisierten Nüchternheit der schwarz-weißen Optik, die ebenso schnörkellose Sachlichkeit evoziert wie kreative Abstraktion, liegt ein attributiver Arthouse-Gestus. Der Übergang von Selbstironie zu Selbstdarstellung ist fließend in den seriellen Szenarien, innerhalb denen politische Enthaltung zunehmend als Unmöglichkeit erscheint.
Paradoxerweise sucht die experimentelle Collage scheinbar nach einer solchen Neutralität in einem Konflikt, in dem Passivität letztlich Zustimmung gleichkommt. Einsatz erscheint als sinnloser Kraftakt gegen eine unverrückbare monumentale Macht. Trockener Humor und lakonische Pointen schaffen eine emotionale Distanz zum beklemmend realen Horror der israelischen Besatzung, der zur gespenstischen Hintergrundpräsenz wird. Wie das skurrile Geschehen wird auch der Terror zum Teil einer abstumpfenden Routine. Statt mit Aufruhr reagieren die Charaktere höchstens mit resigniertem Unverständnis oder stiller Verwirrung. Ähnliche Gefühle weckt auch das kafkaeske Konstrukt, das mehr pädagogische Fingerübung scheint als kohärentes Kinowerk.
Schultheater, Studentenfilm und schwarzhumorige Satire verschmelzen unter Eran Kolirins Regie zu einem parabolischen Puzzle, dessen episodische Einzelteile nie recht zu einem schlüssigen Ganzen zusammenkommen. Mal bricht das Absurde abrupt in die geordnete Welt der zeitkritischen Facetten, mal schlummert es dort von Anfang an und offenbart sich in einem langsamen Erwachen. Doch die demonstrativen parabolischen Aspekte sind mehr intellektualistische Staffage als hintergründige Auseinandersetzung. Auch das Schauspiel der jungen Studierenden bleibt gefangen in akademistischen Manierismen, ohne die organische Intensität authentischen Talents. Zeitkritik verblasst hier zu oft zur dekorativen Randnotiz.
- OT: Some Notes on the Current Situation
- Director: Eran Kolirin
- Year: 2025