Bitterböser Humor, eine grausige Galerie an Genre-Referenzen und Themen von überraschender sozialkritischer Tiefe machen Zach Creggers hintersinnige Horror-Comedy zu einem sichtlich reiferen Nachfolger seiner letzten Regie-Arbeit Barbarian. Selbiger suchte das Grauen bereits im häuslichen Umfeld und familiären Strukturen, die nun zugleich Opfer und Ursprung des Schreckens werden. Mystery-Thriller, morbide Gags und Milieusatire verflechten sich zu einer ebenso vergnüglichen wie vielschichtigen suburbanen Schauerstory. Deren Anleihen bei urbanen Legenden und Creepypasta verrät bereits die kindliche Erzählerstimme an Anfang und Ende des episodischen Plots.
Dessen fünf Kapitel, erzählt aus der Perspektive von vier Mitgliedern des beschaulichen Kleinstadt-Schauplatzes, fügen sich zu einem ausgeklügelten sozialpsychologischen Prisma. Jenes rückt den Schrecken sukzessive näher und deutlicher in den Fokus. Dessen anfängliche Verzerrung offenbart die Ressentiments, Vorverurteilung und Gleichgültigkeit hinter den tadellosen Familien-Fassaden. Von dort verschwinden eines Nachts ohne erkennbare Ursache plötzlich 17 Schulkinder. Mit Ausnahme des stillen Alex (Cary Christopher) ist es die komplette Klasse der neuen Lehrerin Justine Gandy (Julia Garner). Sie trifft nun die hilflose Wut der Eltern.
Gerade der aggressivste Vater unter denen, Josh Brolins Archer, entdeckt in der teils von Überwachungskameras aufgezeichneten Laufrichtung der Kinder eine Überschneidung. Doch bevor diese zu Ende verfolgt wird, springt das sardonische Szenario bereits zum nächsten der fünf Akte. Die enden getreu der klassischen Serien-Struktur mit Cliffhangern oder Schockmomenten. Jener Schrecken ist eine effektiv abgestimmte Mischung aus Jump Scares, schleichender Beunruhigung und aberwitzigen Splatter-Effekten. Das blutige Spektakel fungiert dabei als Entlastung und humoristisches Gegengewicht zu dem sozialkritischen Grauen, das an weit unangenehmere Themen rührt.
Die markantesten sind seelische Grausamkeit, Misshandlung und Vernachlässigung in Haushalten, in denen psychische Beeinträchtigung zur Umkehr der Eltern-Kind-Rollen führt. Statt die Ursachen kindlicher Verstörung zu ergründen, sucht die Gemeinde lieber nach leichten Zielen wie Miss Gandy und Institutionen wie ihre Schule nutzen Regeln als Rechtfertigung, offenkundige Missstände zu ignorieren. Die Kamera betont in hellen, farbenfrohen Aufnahmen den Kontrast von idyllischem Setting und adretten Kulissen zu den abgründigen Vorgängen hinter verhangenen Fenstern. Ein wahrhaftig un-heimlicher Horror haust nebenan, gekleidet in märchenhaften Metaphern für beklemmend reales Grauen.
Thematisch verstörend, dramaturgisch geschliffen und formal raffiniert enthüllt Zach Cregger die kollektiven Ängste, soziale Aggression und fragile Eintracht hinter weißen Häuserfronten. Absurde Komik und Entsetzen verschmelzen zu einem makaberen Stück American Gothic, präzise gespielt und in surreal pittoreske Bilder gerahmt. Dessen klassische Figurentypen und narrative Rahmung untersuchen die Entstehung urbaner Mythen und deren Funktion zur Verarbeitung gemeinschaftlichen Traumas und Erklärung unfassbarer Ereignisse. Die kapitelartige Struktur schafft eine perspektivische Weite, die das Geschehen von diametral entgegengesetzten Gesellschaftspunkten beleuchtet – und so die toten Winkel der gutbürgerlichen Gemeinschaft.
- OT: Weapons
- Director: Zach Cregger
- Year: 2025