Mitreißende Musik, tänzerische Energie und emotionale Authentizität verleihen Ema Edosio-Deelens Musik-Drama eine seltene Synergie, die sich mutig über dramaturgische und formale Konventionen hinwegsetzt. Die autarke ästhetische Sprache aus Bewegung, Klang und Bild entzieht sich dem herkömmlichen Erzählkino und verliert dennoch nie die Bodenhaftung seiner episodischen Handlung. Diese entspinnt sich über eine Gruppe junger Tänzer*innen in Lagos, die entgegen struktureller, finanzieller und privater Herausforderungen für und mit ihrer Kunst kämpfen. Daraus entsteht eine energetische Choreografie urbaner Realität.
So wie die famosen Choreographien dem Rhythmus der Musik folgen, entwickeln sich die Ereignisse nicht als eine lineare Geschichte, sondern als Vignetten mit oftmals assoziativen Übergängen. Die fließende Optik verzichtet auf stilisierte Hochglanzbilder und präsentiert Lagos stattdessen in einer plastischen, naturalistischen Ästhetik. Enge Gassen, provisorische Räume und staubige Straßen werden zur improvisierten Bühne der jungen Tanz-Crew. Deren Darbietungen, die den Plot zugleich gliedern und vorantreiben, wirken zugleich ausgefeilt und spontan inspiriert durch die topographischen Gegebenheiten.
Der Tanz wird zum kreativen Ausdruck der Stadt, die zum eigenständigen Charakter innerhalb des fragmentarischen Plots wächst. Die von Sandtönen geprägte Farbpalette wird zum Konztrastfeld der individuellen Styles und Kostüme. Die Bewegungen der sechs zentralen Charaktere Fanboy (Abella Domdom Dominic), Pokko (Ruth El Phygo Felix), Lighter (Deborah Aiyegbeni), Movement (Eze Gift Chinedu), Colos (Enumah Oliseh) und Poppi (David Emmanuel) kreisen um innere Konflikte, Entschlossenheit und kollektiver Kraft. Das ungeschliffene Schauspiel steht zwar hinter der tänzerischen Brillanz zurück, aber besitzt dafür eine intuitive Wahrhaftigkeit.
Musik ist mehr als Begleitung für Bewegungen in Ema Edosio-Deelens zweiter Spielfilm-Arbeit. Deren narrative Struktur entwickelt sich symbiotisch aus dem kongenialen Soundtrack. Elektronische Beats verbinden sich mit traditionellen Trommeln, Hiphop und experimentellen Klangtexturen. Wiederholt vermittelt die Musik, wo Gespräche an ihre Grenzen stoßen. Die gleiche akustische Dramaturgie formt auch die überwiegend mit Laien besetzte Handlung, die sich auf lebensnahe sozialen und familiäre Herausforderungen konzentriert. Zwischen Wut, Resignation und trotziger Hoffnung finden die Figuren in der Kunst eine gemeinschaftliche Grundlage im täglichen Überlebenskampf.
- OT: When Nigeria Happens
- Director: Ema Edosio-Deelen
- Year: 2025