Schuld, Scham und Schmerz sind die psychologischen Fixpunkte Tereza Nvotovás schonungslosen Schauspieldramas, das erforscht, welchen Belastungen eine Beziehung standhalten kann, bevor sie unweigerlich zerbricht. Die gleiche Frage stellt die slowakische Regisseurin bezüglich der Psyche des zutiefst ambivalenten Protagonisten, dessen Verbrechen und Versagen, Verantwortung und Verlust der Titel erfasst. Michal (Milan Ondrík) ist nach außen ein erfolgreicher Geschäftsmann, der alles hat: eine eigene Firma, eine attraktive Frau in Zuzka (Dominika Morávková) und die kleine Tochter Dominika.
Der Tod des Babys wird für die Eltern zu einer komplexen Zerreißprobe auf emotionaler, zwischenmenschlicher und mentaler Ebene. Mit verstörender Unmittelbarkeit und analytischer Kühle seziert die Kamera jede Nuance dieses Kampfs. Quälend lange, ungeschnittene Einstellungen erzwingen die Konfrontation mit dem schrecklichen Vorfall, vor dem das Publikum genauso wenig flüchten kann wie Michal. An einem brütend heißen Sommertag vergisst er seine kleine Tochter im Auto. Als ein Anruf seiner Frau ihn abrupt daran erinnert, ist Dominika bereits grausam erstickt.
Der Schlüsselmoment des Unglücks und Michals brutaler Erkenntnis zeigt die Radikalität und Raffinesse der Inszenierung, die zwischen dem Protagonisten und dem Publikum eine verstörende Intimität schafft. Empathie und Abscheu mischen sich in der Beobachtung des von Milan Ondrík mit packender Intensität verkörperten Charakters, der zugleich Täter und Opfer seiner eigenen Gleichgültigkeit ist. Kameramann Adam Suzin folgt ihm buchstäblich mit jedem Schritt an diesem fatalen Vormittag, und jedem seiner Atemzüge. Letzte diktieren den Rhythmus der Inszenierung.
Deren einlullende Routine weicht gehetzter Panik und kulminiert in alptraumhaftem Entsetzen. Der triviale Austausch während eines Meetings, bei dem Michals Blick gedankenverloren auf den Parkplatz mit Dominika im Wagen abschweift, seine Prokrastionation am PC, wo er sich ein fröhliches Familienvideo mit Zuzka und der Kleinen anschaut. Die dramatische Bedeutung der Zeit, die scheinbar ohne relevante Ereignisse verstreicht, erschließt sich Publikum und Protagonist erst im Nachhinein. Die nagende Schuld und Isolation sind der zermürbende Kern des Geschehens.
Letztes konstruiert einen markanten Kontrast zwischen öffentlichem und privaten Raum, in denen Michal auf unterschiedliche Weise gerichtet wird. Das mit nüchterner Formalität abgehandelte Gerichtsverfahren verweigert jede theatralische Überhöhung. Die juristische Entscheidung ist letztlich banal für einen Charakter, den die Schuld unablässig verfolgt. Kalte Kontinuität und in Echtzeit erfasste Abläufe verleihen dem Szenario beklemmenden Realismus. Einstmals Geborgenheit versprechende Innenräume und Privatsphären wirken nun klaustrophobisch. So wie die Helligkeit der Anfangsszenen Schuld und Erkenntnis markiert, vermittelt das gedämpfte Licht nach der Zäsur die abgründige Trauer.
Beziehungsdrama und Charakterstudie gelingt Tereza Nvotová ein inszenatorischer Balanceakt, der das Publikum in die erdrückende Gefühlswelt der verzweifelten Figuren zieht. Die Kamera wird unnachgiebiger Zeugen von Selbsthass verkomplizierter Trauer. Der atmosphärische Einsatz von Licht und Schatten sowie die akzentuierte Unterteilung von häuslichen, institutionellen und öffentlichen Sphären verstärken diese immersive Erfahrung, ohne den naturalistischen Ton zu verwässern. Das eindringliche Schauspiel fügt sich organisch in die schmerzliche Kontemplation über moralische Zwiespälte, unentrinnbarer Schuld und die Grenzen von Vergebung.
- OT: Otec
- Director: Tereza Nvotová
- Year: 2025