Der harte Naturalismus, der Akio Fujimotos verheerender Chronik von Verfolgung und Vertreibung über weite Strecken die beklemmende Wahrhaftigkeit eines Dokumentarfilms verleiht, erinnert unablässig an die grausame Realität hinter seinem jüngsten Werk. Das tagebuchartig in Kapitel unterteilte Drama folgt dem vierjährigen Shafi und seiner neunjährigen Schwester Somira auf der gefahrvollen Reise von Bangladesch nach Malaysia. Die ganz auf sich gestellten Geschwister, die als Angehörige der Rohingya im Schatten des Genozids aufwachsen, hoffen in Malaysia ihre auseinandergerissene Familie wiederzufinden.
Yoshio Kitagawas Kamera agiert meist auf Augenhöhe der Kinder, deren Angst vor dem endgültigen Verlust ihrer Familie und umeinander Bedenken bezüglich der zahlreichen Gefahren überwinden. Ihr Aufbruch ins Ungewisse wirkt nicht wie das dramaturgische Momentum, das er letztlich ist, sondern als existenzielle Notwendigkeit. Die in kindlicher Handschrift gehaltenen Zwischentitel zählen die Tage der Flucht, von denen jeder neue Strapazen und Schrecken bringt. Eine brennende Unterkunft in pechschwarzer Nacht und ein Gewittersturm auf hoher See wecken mit minimalen Mitteln infernalische und apokalyptische Assoziationen.
Die mit Laien besetzte Inszenierung verweigert sich dem sensationsheischenden Muster des Flüchtlingsthrillers und setzt stattdessen auf präzise Beobachtung und menschliche Nähe. Stets dicht bei den Figuren, ist die Kamera konstanter Zeuge deren Angst, aber auch zerbrechlicher Momente von Hoffnung und kindlichen Spiels. Nahaufnahmen rücken das unmittelbare Erleben in den Vordergrund und schaffen zugleich eine gewollte Desorientierung. Den abstrahierenden Abstand zum Geschehen reduziert die Inszenierung bewusst auf ein Minimum. Gerade diese konzeptionelle Herausforderung schafft ein langes emotionales Echo.
Akio Fujimoto, der in seinem filmischen Schaffen wiederholt die Bedrängnis migrantischer Leben ins Zentrum gerückt hat, reduziert seine filmische Sprache in seiner dringlichen Chronik einer kindlichen Flucht auf das Notwendigste: Unebene Handkamera, ein Cast ausschließlich aus Laien, authentische Szenenbilder und ein Handlungsbogen ohne Erlösung und konventionelle Spannungskurve. Die Rohingya Sprache verleiht den Protagonist*innen Handlungsmacht und unterstreicht ihre kulturelle Identität. Ethisch wachsam und formal konsequent, rückt das verstörende Protokoll die unsicheren Verhandlungen erzwungener Migration in den Blick.
- OT: Hara Watan
- Director: Akio Fujimoto
- Year: 2025