Mit einem Cast aus drei Generationen namhaften Schauspieltalents, einer Premiere außer Konkurrenz in Venedig, wo Luca Guadagnino zu einer ausgesuchten Riege alter weißer cis männlicher Stammgäste gehört, und dem vordergründigen Soundtrack Trent Reznors und Atticus Ross’ ist After the Hunt das filmische Pendant des manipulativen Mikrokosmos, den er verbrämt. In der hermetischen Welt eines egomanischen Akademiker-Adels errichtet die pseudo-provokante Story eine elitäre Echo-Kammer, die Konservativismus als Klassik verehrt, Ideologie als Intellekt und Diskriminierung als Denkfreiheit.
Als privilegierte Professorin Alma Imhoff steht Julia Roberts konzentriert Darstellung im Zentrum des gediegenen Psychodramas, das vorgibt, unbequeme Fragen zu stellen, doch stattdessen autokratische Antworten propagiert. Beispielhaft dafür ist eine frühe Szene, in der ein wohlhabender junger weißer cis-straighter Universitäts-Kollege Almas seine demographische Gruppe als neuzeitliches Opfer liberaler Diskriminierung beklagt. Alma, die sich einst als Frau in einem patriarchalischen Professorenzirkel behaupten musste, kritisiert dieses Weltbild. Selbiges bestätigt indes die Handlung, in der Almas Kollege Hank sexueller Übergriffe beschuldigt wird.
Der Fallout des gärenden Skandals trifft auch die bis dahin allseits angesehene Professorin, die so die bittere Lektion lernt, dass die reiche weiße straighte Bildungselite nun die Zielscheibe überzogener Vorwürfe ermächtigter Minderheiten ist. Was nach einer Parodie auf republikanisches Selbstmitleid klingt, präsentiert Guadagninos kalkulierte Inszenierung als verleugnete Tatsache. Als die ehrgeizige Studentin Maggie (Ayo Edebiri) beim Vorbringen der Missbrauchsvorwürfe gegen den jovialen Professor Hank (Andrew Garfield) von Alam nicht die erhoffte Unterstützung erhält, stellt sie ihre vormalige Lieblingslehrerin als Heuchlerin dar.
Der parteiisch Plot etabliert ein klares Gut-Böse-Schema, das psychologische Nuancen behauptet, aber nicht zulässt. Am deutlichsten zeigt sich dies an der Figur der von Schülerschaft und dem Kollegenkreis gleichermaßen verehrten Protagonistin. So entpuppt sich Maggies brillante Thesis als geklaut, ihre schulischer Erfolg nur als Resultat von Minderheitenförderung. Deren kürzlich Abschaffung durch die Trump-Administration erscheint als Wiederherstellung einer verlorenen Gleichwertigkeit. Gehässige Gags verhöhnen Maggies non-binäre Partnerin und Alma wird in einer grotesken Szene von einer Gruppe gehandicapter, queer-codierter und farbiger Menschen eingekesselt.
Das Interesse eines Magazins an Maggies Erlebnis wird als schnöder Sensationalismus abgetan. Innerhalb des handwerklich ausgefeilten Szenarios, geprägt von formaler Kühle und szenischer Strenge, erscheint Maggie als queere Schwarze Frau als Inbegriff einer überempfindlichen, übervorteilten Diversitäts-Diktatur, die alles von „normaler“ Sprache bis zu fairem Wettbewerb angeblich abschaffen will. Konzentriertes Schauspiel, bestechend authentische Studio-Kulissen und ein von latenter Anspannung getriebener Psycho-Plot veredeln die toxische Message mit einer kalkulierten Filmkunst-Fassade. Die intellektualistische Idiomatik der Dialoge verkauft nebenher affektierte Bildungsbigotterie als mentale Kompetenz.
“Alle kleinen Mädchen sehnen sich nach sexuellen Erfahrungen”, heißt es an einer Stelle, und eine andere Szene schildert detailliert eine 15-Jährige, die den selbst-initiierten Sex mit einem väterlichen Freund als „glücklichsten Moment“ ihres Lebens empfand. Wie alles an dieser rechts-libertären Laudatio chauvinistische Machtsystem ist die aufreibende Musik einen Tick zu plakativ und pathetisch, um ihr Kalkül zu verbergen. Das Emblem der Filmkunst wird zum ideologischen Instrument einer ebenso makellosen wie manierierten Inszenierung im Dienste rechts-populistischer Paranoia und Privilegienangst.
Bereits der Vorspann Luca Guadagninos perfiden Psycho-Dramas enthält eine demonstrative Hommage an Woody Allen, den der Regisseur im Interview als “einen Künstler, den wir alle lieben” bezeichnet. Die symbolische Huldigung eines pädophilen Täters propagiert eine politische Position, die drastische Dialoge und Szenarien unmissverständlich machen. Das republikanische Schlagwort “cancel culture”, mit dem die rechts-konservative Rezeption des Films hausiert, sagt alles über die Alt-right-Argumentation eines kinematisch glattpolierten, dramaturgisch flachen und inhaltlich pervertierten Popcorn-Pamphlets.
- OT: After the Hunt
- Director: Luca Guadagnino
- Year: 2025