Wie oft kann ein Film den gleichen Witz abliefern, bevor er nicht mehr komisch ist? Die Frage umgeht Anders Thomas Jensens Ganoven-Groteske weiträumig. Was das jüngste Werk des dänischen Regisseurs als lustig vorlegt, sagt nichts über nordischen Humor oder die Grenzen guten Geschmacks. Dafür sagt die außer Konkurrenz aufgeführte Venedig-Premiere alles über die Normalisierung rechts-populistischen Gedankenguts. In parodistischer Maske wird aggressive Intoleranz popularisiert. Gärende kleinbürgerliche Aggressionen gegen alle, die nicht in traditionalistische Normgefüge passen, werden als bedrängte „Normalität“ verteidigt.
Schon bevor die eigentliche Handlung der kruden Krimi-Klamotte beginnt, transportiert deren Sicht auf Toleranz und Integration ein Cartoon. Darin geht es um die titelgebenden Wikinger, von denen Mads Mikkelsens heimlicher Hauptcharakter der letzte sein will. In diesem animierten Prolog mit Scherenschnitt-ähnlichen Figuren möchte ein Wikinger-Anführer Gleichberechtigung und allseitigen Respekt in seinem Dorf. Weil aber ein Klans-Mitglied einen Arm verloren hat und daher benachteiligt ist, gibt es nur einen Ausweg: allen wird ein Arm abgehakt, damit Fairness herrscht.
Die Message ist unmissverständlich: Akzeptanz und Integration sind wahnwitzige Gewalt gegen diejenigen, die nicht beeinträchtigt sind, und endet im Extremfall in einem Blutbad. Folglich ist laut der dumpfen Mär um zwei ungleiche Brüder die einzige vernünftige Lösung die aufgezwungene Anpassung derer, die aus dem Rahmen fallen. Wie Manfred. Der ältere Bruder des nach 15 Jahren frisch aus dem Knast entlassenen Bankräubers Anker (Nikolaj Lie Kaas) zeigt die ableistische Karikatur einer psychischen Erkrankung: er klaut Hunde und glaubt, er sei John Lennon.
Für Anker ist das schlecht, denn nur Manfred erinnert sich, wo er damals das im Auftrag seines Bruders das Geld vergraben hat. Die Tour zum Waldhaus, in dem die Brüder ihre traumatische Kindheit verbrachte, und um das irgendwo das Geld ruht, ruft neue Freunde und alte Feinde auf den Plan. Die abstruse Kombi aus Krimi und Buddy-Movie zelebriert eine ätzende Mixtur aus willkürlichen Gewaltexzessen, Macho-Pathos und rechts-konservativer Häme. Wenn Menschen ihren Namen oder Personenwahrnehmung ändern, gilt das als lachhaft.
Da könne sich ja jeder gleich John Lennon nennen! Oder Paul McCartney und Ringo Starr, um dann eine Beatles-Réunion herbeizuführen. Genau das geschieht nebenher dank eines übereifrigen Psychiaters, der Ankers Bruder so zu heilen glaubt. Entsprechend legitimiert erscheint deadnaming, und wenn das fast fatale Konsequenzen hat, weil die Betroffenen suizidal werden – umso lustiger. Kindesmisshandlung, Gewalt gegen Frauen und Tierquälerei. Jede Pointe wird in Endlosschleife praktiziert, was die wirre Handlung zusätzlich ausbremst. Auch Mikkelsens routiniertes Spiel kann da nichts retten.
In der faden TV-Optik einer alten Tatort-Folge zelebriert Anders Thomas Jensen seinen rechts-konservativen Krimi-Klamauk als zynische Parabel auf unverbrüchliche Männerfreundschaft und brüderliche Blutsbande. Sadistische Grausamkeit, vorzugsweise gegen Kinder und Tiere, dient als Material für pseudo-provokante Witze und bemüht harscher Gegenpol des biederen Grundtons familiärer Werte. Letzter trägt neben dem ungelenken Skript dazu bei, dass Spannung und Genre-Flair nicht aufkommen. Visuell austauschbar, schauspielerisch mechanisch und narrativ unerträglich borniert, ist die gehässige Gaunerkomödie traurig zeitgemäß mit ihrer durch die Titelfiguren evozierten Verklärung altväterlicher Werte.
- OT: The Last Viking
- Director: Anders Thomas Jensen
- Year: 2025