Ridley Scotts Versuch, nach einer Reihe aufgeblasener Sci-Fi- und Bibel-Blockbuster zum hochkarätigen Drama zurückzukehren, will die Vermessenheit eines greisen Geschäftsmagnaten vorführen. Das erreicht die Dramatisierung eines der medienwirksamsten Entführungsfälle des letzten Jahrhunderts. Allerdings ist der als gleichgültiger Kalkulator dekonstruierte grauhaarige Mann im Zentrum nicht John Paul Getty (Christopher Plummer), sondern der Regisseur. Gleich dem megalomanischen Besitzer des Öl-Imperiums liegt dem Filmemacher mehr an Materialismus als an Menschen. Zweite sind nur bessere Requisiten in einem Thriller, der neben dem monetären Magnetismus seines Schlüsselcharakters Getty, Sr. der weit weniger fabulierten Lockung eines Box-Office-Erfolgs erliegt. Alles Geld der Welt soll die Inszenierung nicht entmystifizieren, sie soll es vor allem einspielen.
Diese süffisante Ironie dringt nie an die Oberfläche einer Produktion, deren skandalüberschattete Realisation letztlich interessanter bleibt als der Plot. Der changiert unschlüssig zwischen Krimi, Familiendrama und Prominenten-Porträt, die alle der gleichen simplifizierten Typologie erliegen. Sie sei ein Symbol, erwidert einer der überforderten italienischen Ermittler der geschiedenen Gail Harris (Michelle Williams), die nach der Entführung ihres ältesten Sohnes John Paul Getty III (Charlie Plummer) mit dessen Großvater um das astronomische Lösegeld ringt. Diese Beobachtung passt auf alle Protagonisten. Vom ersten Auftritt an sind Harris, Opa Getty, der für beide arbeitende CIA-Agent Fletcher Chase (Mark Wahlberg) sowie Enkel Gettys Kidnapper Cinquanta (Romain Duris) in ihrer Funktionalität und Entwicklung durchschaubar.
Das verbleibende Spannungspotenzial liegt in der Komplizierung der Lage unter den Augen der Weltöffentlichkeit, vertreten durch eine lauernde Meute Paparazzi. Die Reaktion der US-Presse wird trotz deren entscheidender Rolle im psychologischen Duell zwischen dem von Gier und Geiz zerfressenen Milliardär und der alleinerziehenden Mutter ausgeblendet. Zu schwer wiegen offenbar die soziologischen Implikationen dieses Kräftemessens, dessen Kontrahenten eine Vielzahl gesellschaftlicher Gegensätzen vertreten. Stattdessen schickt Scott – von der starken Frauenfigur scheinbar selbst eingeschüchtert – mit Wahlberg einen wackeren Mann, der Harris‘ Kampf für sie und damit implizit ihr Herz gewinnt. Die Realität sah anders aus. Aber Scott hat wie Getty das Geld und die Mittel, sie seinen Vorstellungen anzupassen.
- OT: All the Money in the World
- Regie: Ridley Scott
- Drehbuch: David Scrapa
- Produktionsland: USA, UK
- Jahr: 2017
- Laufzeit: 132 min.
- Cast: Michelle Williams, Christoper Plummer, Mark Wahlberg, Charlie Plummer, Romain Duris, Timothy Hutton
- Kinostart: 15.02.2018
- Beitragsbild © Tobis