Einen Namen als Schauspielerin hatte sich Sara Forestier bereits gemacht, als sie in Michel Leclercs romantischer Gesellschaftssatire Der Name der Leute (Le Nom de Gens, 2010) die weibliche Hauptrolle übernahm. Nachdem sie 2005 einen César als beste Nebendarstellerin erhielt, bewies die als Jugendliche zufällig bei einem Casting entdeckte Forestier, dass sie der Auszeichnung auch in einer Hauptrolle würdig ist. Als Bahia, eine von der Biografie Bahia Kasmis, der Co-Drehbuchautorin und Ehefrau Leclers, beeinflusste Figur, verführt sie wortwörtlich überzeugte Konservative zum Liberalismus. Im Interview spricht Sara Forestier über politische Bekenntnisse und öffentliche Nacktszenen und verrät, wie Politik und Privates in ihrem Leben einander beeinflussen.
Waren Sie eingeschüchtert, als Sie zum ersten Mal das Drehbuch lasen?
Zuerst war ich sehr erschreckt von diesem Script. Zugleich habe ich es von Anfang an geliebt, was selten der Fall ist. Liest man ein komisches Drehbuch, kann man manchmal lächeln. Aber es kommt selten vor, dass man das Script während des Lesens von ganzer Seele liebt. Ich habe es viele Male gelesen und war sehr überrascht und nervös.
Und das Erschreckende?
Wenn man etwas so liebt, will man keinen Fehler begehen. Ich hatte sehr viel Angst. Michel Leclerc fühlte das. Er war sehr umsichtig, denn er ließ mich Cabaret sehen, den Film von Bob Fosse. Ich sah Liza Minnelli und dachte, er möchte etwas Ähnliches. Ich war glücklich, dass er keine Femme fatale wollte, sondern eine Frau, die ihre eigene Weiblichkeit hat. Liza Minelli ist in dem Film sehr großzügig, sehr feminin. Aber auf ihre Art. Nicht als eine Verführerin.
Was Bahia macht, ist im Grunde eine Art ideologischer Prostitution. Sie schläft mit anderen, um sie zu konvertieren. Konservativismus und Anti-Liberalismus anderer zu akzeptieren fällt ihr sehr schwer.
Das stimmt. Sie denkt wirklich auf eine absolut andere Weise. Ihre Art von Idealismus bezieht sich nicht nur auf die Politik, sondern auch auf zwischenmenschliche Beziehungen. Wenn sie bei Arthur Martins Familie ist, macht sie Ärger. Denn die wollen nicht über Dinge reden. Ja, sie ist sehr kategorisch, aber sie braucht das. Würde sie nicht denken, links ist gut, rechts ist schlecht, könnte sie nicht so engagiert sein – körperlich. Sie muss so sein, um sich derartig für eine Sache zu begeistern. Auf einmal kann man durch die politischen Veränderungen alles vermischen. Ich denke, es ist gut wie Bahia eine Position zu haben.
Hierzulande wird manchmal gesagt, dass die junge Generation absolut unpolitisch sei. Ist das in Frankreich auch so?
Nein, überhaupt nicht! Wir haben eine Menge junger Leute, die sich in Parteien politisch betätigen. Sie sind engagiert, einige sind sogar ein wenig wie Bahia.
Engagieren Sie sich in einer Partei?
Um ehrlich zu sein, habe ich selbst nicht sehr viele politische Intentionen. Ich habe nicht genug Zeit damit verbracht, Politik wirklich zu verstehen. Ich beschäftige mich eher konkret mit bestimmten Themen. Dazu kann ich Position beziehen. Bei den anderen Dingen bin ich mir nicht sicher. Ich muss mehr lernen.
Sie haben nicht nur viele, sondern sogar öffentliche Nacktszenen. War das schwierig für Sie?
Einige Darstellerinnen, die beim Casting waren, sagten, dass sie diese Szenen, die Michel sehr „sehr wichtig waren, nicht wollten. Ich sagte: Ja, gebt sie mir. Im Drehbuch stand, Bahia sei traumatisiert, weil sie in ihrer Jugend vergewaltigt wurde. Und plötzlich ist sie dieses Mädchen, das seinen Körper als Werkzeug einsetzt, um Menschen zu konvertieren. Das ist solch ein Bruch! Was geschah dazwischen? Dann gab mir Michel diese Szene. Sie ist das fehlende Stück. Sie verrät nicht nur etwas über Bahias Körper, sondern zeigt, dass sie nicht alles unter Kontrolle hat. Mit dieser Szene ist die Figur für mich weniger beängstigend und menschlicher geworden. Ich kam dadurch besser an sie heran.
Wie stark ist bei Ihnen der Einfluss Ihrer politischen Einstellung auf Beziehungen und Freundschaften?
Meine Einstellung ist mehr ein Teil meines Alltags und beeinflusst mich in meiner Kunst. Ich denke nämlich über Film nach, schreibe Filme und führe Regie. Dieses Jahr werde ich einen eigenen Film machen. Auf diesem Gebiet beeinflusst es mich. In meiner Arbeit.
Sie wurden zufällig Schauspielerin, als Sie jemanden zu einem Casting begleiteten …
Ich ging dahin, weil ich immer wusste, dass ich das tun wollte! Als meine Brüder das erfuhren, sagten sie nur: Was zur Hölle geht hier ab? (lacht) Sie ist durchgedreht! Dabei waren sie die ersten, die mir sagten, ich sei eine Schauspielerin, als ich noch klein war. Ich war sehr emotional, konnte mich aber schnell verändern. Wahrscheinlich wurde ich darum Schauspielerin.
Finden Ihre Brüder nun, dass dies die Rolle der Bahia ideal für Sie ist, weil Sie schon immer etwas verrückt waren?
Für die war es keine Überraschung. Eher ein Scherz.
Wovon wird Ihr eigener Film handeln?
Es wird eine Komödie. Nein – mehr ein Cartoon. Wie „Tom & Jerry“. Allerdings mit echten Schauspielern. Als Zuschauerin liebe ich es, von Filmen überrascht zu werden. Auch bei Gemälden und anderem. Menschen sind mir sympathisch, wenn sie wagemutig sind. Daher versuche ich etwas zu erschaffen, was ich selbst gerne sehen würde.
Und wen werden Sie spielen, Tom oder Jerry?
Ich werde – wer ist die Katze? Ich werde Tom spielen.
Der den Kampf immer verliert …
Ja, aber es geht immer weiter, darum gibt es keinen Gewinner oder Verlierer. Mein Charakter ist in dem Fall „der Kleine“, aber ständig sehr aggressiv. Er will zu viel und kann es nicht bekommen. Vielleicht eher wie Joe Dalton.
Wie oft findet man Ihren Namen im Französischen?
So häufig wie den Arthur Martins! Als ich einmal mit arabischstämmigen Freunden zusammen war, neckten sie mich ununterbrochen: Mein Name klingt wie eine Käsesorte!
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