Tierversuche sind für uns alle eine Quelle des Leidens. Als Oleg Gazenko, einer der führenden Wissenschaftler des sowjetischen Raumfahrtprogramms mit Tieren diese Erkenntnis äußerte, ahnte er offenbar nichts von den Machern des 3D-Weltraumabenteuers mit dem Originaltitel Belka und Strelka. Die ersten Tiere, die lebendig aus dem Orbit auf die Erde zurückkehrten, sind die Helden einer lieblos animierten Propaganda-Geschichte, die Tierversuche noch drastischer verharmlost und verniedlicht als die Ära des Kalten Krieges.
Im August 1960 herrschte Frühlingsstimmung zwischen den Staatschefs der UDSSR und USA. John F. Kennedy musste seinen Kindern das Haustier nicht selbst kaufen, wie Barack Obama, weil Nikita Chruschtschow so lieb ist, Caroline Kennedy mit einem Hündchen zu beglücken. Es ist weiß und fluffig und heißt auch so: Fluffy. In CGI wirkt der Pupnik wie einer der batteriegesteuerten Kläffer aus dem Spielzeuggeschäft. Von dort kommt scheinbar auch seine Hundemama, mit deren Story die Haupthandlung beginnt. Belka, deren Glamour-Dasein als Zirkusstar den Grundstein für die Idealisierung von ausbeuterischer Tierquälerei legt. Die Message ist klar: Tiere fühlen sich wohl in Gefangenschaft und lieben es, vor Publikum herumzuturnen.
Work with animals is a source of suffering to all of us. We treat them like babies who cannot speak. The more time passes, the more I’m sorry about it. We shouldn’t have done it. We did not learn enough from the mission to justify the death of the dog. – Oleg Gazenko
Wie viel besser ist doch so ein Star-Status gegenüber dem eines Straßenköters wie Strelka. Dass die zwei Hundehauptfiguren nicht ebenbürtig mutig erschienen passt zum filmischen Klassismus, den Fluffy verkündet: Alle Hunde sind gleich aber manche sind gleicher. Orwells Systemkritik perlt an der schön gefärbten Film-SU ab. Was bleibt, ist knallharter Elitarismus. Ein räudiger Streuner kann nie so tapfer sein wie die fleißig fürs Kollektiv arbeitende Elite. Zeit- und Lokalkolorit bleiben amorph und fantasielos, ebenso die tierischen Statisten, die Dialoge im Maschinengewehrtempo herunter rattern. Mit Slapstick ist das Drehbuch so großzügig wie mit Raketenzündstoff: „Glaubst du, das ist zu viel?“ – „Passt schon. Tu es dazu.“
Was Ben Stassens Fly me to the Moon 3D auf Belgisch vormachte, ahmt Regie-Duo Inna Evlannikova und Svyatoslav Ushakov auf Russisch nach. Statt drei Fliegen gibt‘s drei Hunde. Ja, drei, weil mit Schäferhund Kazbek unbedingt ein männliches Individuum mit an Bord muss. Zur Sicherheit der Weibchen und der Mission. Voll patriotischer Innbrust singt der seichte Kinderfilm ein Loblied auf Systemtreue, Gehorsam und Opfermentalität von Belka, „erste Raketen-Hündin der Welt“. Stopp, war das nicht Laika? Äh, jaaa … aber Laika ist elendig im All verreckt, was sie als Familienfilmheldin nachhaltig disqualifiziert. Da müssten die Drehbuchautoren ja noch mehr Schönschreiben und Zusammenlügen. Letztes geschieht natürlich im Sinne des Zielpublikums. Kasbek knurrt: „Je weniger ihr wisst, desto besser schlaft ihr.“ Da bleibt aus cineastischer Sicht nur Belkas Mantra: „Was einen nicht verletzt, macht einen stärker.“
- OT: Belka i Strelka. Zvezdnye sobaki
- Regie: Inna Evlannikova, Svyatoslav Ushakov
- Drehbuch: John Chua, Aleksandr Talal
- Produktionsland: Russland
- Jahr: 2010
- Laufzeit: 85 min.
- Cast: Elena Yakovleva, Anna Bolshova, Yevgeny Mironov
- Kinostart: 10.09.2011
- Beitragsbild © Kinostar