„Das wird in zwei Wochen noch viel gelber“, sagt ein in einen gelben Regenanzug gekleideter Waldspaziergänger zu seiner Freundin. Sie beobachtet ihn nachsichtig bei Lenkversuchen eines selbstgebauten Spielzeug-Flugkörpers. Vielleicht ist das eigenwillige Vehikel, das unsanft auf dem Waldboden landet, Symbol der binationalen Liebesbeziehungen, denen Anja Salomonowitz stilisierte Reportage beim Anrennen gegen die (Wind)Mühlen der österreichischen Bürokratie sekundiert.
Die Anfangsszene der sprunghaften Doku, die rund ein halbes Dutzend verschiedene Paaren beim Kampf für Selbstbestimmung vor dem Staat vorführt, wirkt wie eine Science-Fiction-Groteske. In eine solche gehörten in jedem Fall die administrativen Verfügungen und Erniedrigungen, denen die multikulturellen Liebenden ausgesetzt sind. Die Eheschließung als einziger Weg, mit dem ausländischen Partner in der Heimat zusammen zu sein, wird zur unbezwingbaren Amtshürde. Einmal bewältigt, bietet sie längst keine Sicherheit vor Abschiebung. Die Einzel- und Beziehungsschicksale belässt die Regisseurin gezielt als Fragmente des größeren Gesamtbildes staatlicher Vereinnahmung der Privatsphäre.
So unerbittlich von außen reglementiert wie das Lebensrahmen der Paare ist der inszenatorische Rahmen, den Salomonowitz darum herum konstruiert. Die hervorstechende Farbdramaturgie, derer sich die Filmemacherin bereits in früheren Werken bediente, setzt diesmal auf Gelb. Laut Pressetext steht es „für Lebensmut, Kampfgeist und für den Trotz“. Wäre es nur nicht in erster Linie der Trotz gegen die dokumentarischen Konvention, gegen die sich das politisierte Kinokabarett auflehnt, hätte die Bloßlegung allgemein akzeptierter, da formalisierter Ausartung der Fremdenfeindlichkeit weit mehr Aussagekraft.
- OT: Die 727 Tage ohne Karamo
- Regie: Anja Salomonowitz
- Drehbuch: Anja Salomonowitz
- Produktionsland: Österreich
- Jahr: 2013
- Laufzeit: 80 min.
- Beitragsbild © Berlinale