Der Geist vergisst Dinge aus gutem Grund, sagt Versuchskaninchen Todd (Anton Yelchin) in einem der zahlreichen Momente küchenpsychologischer Tiefgründigkeit, die Mark Palanskys ungelenken Mix aus Whodunit, Sci-Fi-Thriller und Abschiedsdrama zum unfreiwillig komischen Amateurkrimi verkommen lassen. Wahl wahr, Vergessen ist ein Segen – jedenfalls bei den hochtrabenden Plattitüden und abwegigen Auswüchsen, die der kanadische Regisseur und Co-Drehbuchautor seinen Charakteren aufnötigt. Sagt Julia Ormond als trauernde Witwe, sie könne oberflächliche Floskeln nicht mehr hören, signalisiert das keinesfalls ironische Distanz zur Inszenierung. Eher ist es eine Vorwarnung.
Keiner warnt indes vor den plumpen visuellen Metaphern, die das solide Ensemble unterminieren. Verstaubte Allegorien bremsen nicht nur die schleppende Handlung weiter aus, sie sind schlimmsten Falls ein Bauchklatscher ins Fettnäpfchen. Sam Bloom (Peter Dinklage) rekonstruiert das Beziehungsmodell um Gedächtnisforschers Gordon Dunn (Martin Donovan) mit ausgerechnet mit Miniaturen, unter denen er der Größte ist. Was immer sich Palansky bei solchen Einfällen dachte, beanspruchte sein Hirn offenbar derart, dass für logische Schlussfolgerung kein Raum war. Eklatante Logiklücken gibt es gleich zum Handlungsauftakt und sie werden nicht weniger.
Wie fährt Sam das Auto seines Rock-Star Bruders (Matt Ellis), dessen Unfalltod ihn verfolgt? Wieso erkennen die Personen im zweiten Unfallfahrzeug ihn nicht wieder? Wieso weiß keiner vom Tod seines Bruders, der doch berühmt war? Professors Geliebte und Probandin Wendy (Evelyne Brochu), Todd und ein profitorientierter Kollege sind schwer verdächtig, werden aber nie von Ermittlern behelligt. Die Polizei sei halt unfähig, heißt es pauschal. Muss eben Dunns Fan und Freund Sam die Nachforschungen übernehmen. Praktischerweise brennen Witwe Carolyn und der Rest darauf, ihre Lebensgeschichten auszuplaudern.
Der Konflikt zwischen dem Drang nach medialer Selbstdarstellung bei gleichzeitiger Angst um die exponierten Daten ignoriert die Story, zusammen mit diversen spannenden Themen, die sich quasi aufdrängen. Sowohl der Tote als auch Sam manipulieren ihr Umfeld emotional mittels ihrer Einsicht in deren Erinnerungen. Unethisch? Egal. Was nützen Erinnerungs-Videos jemandem, der wie ein dementer Proband deren Bedeutung vergessen hat? Noch egaler, findet Palansky, der jede narrative Anstrengung unternimmt, um die immer gleichen Erinnerungsschnipsel ein weiteres Mal abzuspulen. Ein nachbarlicher Dia-Abend ist da unterhaltsamer und kohärenter.
Unplausible Wendungen, Logiklücken und ein gleichermaßen überkonstruiertes und unstrukturiertes Drehbuch ersticken die interessante Grundidee. Mit den ethischen Aspekten der komplexen Materie ist Mark Palansky ebenso haltlos überfordert wie mit dem sensiblen Themenkomplex von Trauer, Schuld und Erinnerungen. Das fähige Ensemble kann den unterentwickelten Figuren keine psychologische Glaubwürdigkeit verleihen. Und nebenbei: Warum schützt weder den bahnbrechenden Hightech-Erinnerungs-Decoder noch die kostbaren Erinnerungsdateien irgendein Passwort?
- OT: Rememory
- Regie: Mark Palansky
- Drehbuch: Mike Vukadinovich, Mark Palansky
- Produktionsland: USA, Kanada
- Jahr: 2017
- Laufzeit: 111 min.
- Cast: Peter Dinklage, Matt Ellis, Jordana Largy, Martin Donovan, Evelyne Brochu, Henry Ian Cusick, Anton Yelchin, Julia Ormond, Gracyn Shinyei, Colin Lawrence, Chad Krowchuk, Kate Bateman, Courtney Richter, Stefania Indelicato, Andrew Herr
- Kinostart: 08.11.2018
- Beitragsbild © Kinostar