Bedauerlicherweise teilt Drehbuchautor Stuart Ross Fink die Schwäche der verhinderten Essayistin Anne Sherman (Amanda Seyfried): er will etwas Elementares analysieren, ohne es zu verstehen. Zum Glück kann sein vergnügliches Leinwanddebüt genau wie die Mittlere des drei Generationen umfassenden Hauptfigurentrios auf eine schlagfertige Mentorin zählen. Das ist in beiden Fällen die grandiose Shirley McLaine. Die selbst für ihre Unangepasstheit bekannte Kult-Darstellerin weiß nur allzu gut um die unterliegende gesellschaftliche Problematik. Mark Pellingtons auf Gefälligkeit bedachte Inszenierung zeigt das Zusammenwirken von Doppelmoral und Chauvinismus nie so klar wie die offiziellen Inhaltsangaben seiner Tragikkomödie.
Die ehemalige Geschäftsfrau Harriet Lauler – widerborstig, kontrollsüchtig, ein Drachen, ein Freak, über den niemand ein gutes Wort zu verlieren hat? Anne und das Publikum sehen dank McLaines nuancierten Porträts der resoluten Ex-Firmenleiterin eine bewundernswerte Freidenkerin. Sie regelt ihre Angelegenheiten am liebsten selbst und ihre Kompetenz gibt ihr darin Recht. Sie sagt, was sie denkt, und ermutigt andere, es ebenfalls zu tun. Damit hat sich Annes sympathische Kontrahentin nicht nur Freunde gemacht: So what? Ihr Umfeld schwärmt zwar nicht von ihrer großmütterlichen Fürsorge, aber zollt ihr Respekt. Sogar Laulers Ex-Gatte (Philip Baker Hall) versteht ihre einschüchternde Willensstärke.
Die kantige Heldin stammt aus einer Ära, als Frauen nicht selbstständig, selbstbestimmt, kurz: überhaupt nicht sie selbst sein sollten. Überwunden ist diese Ära nicht, wie Anne auf dem Road Trip mit ihrer gewitzten Auftraggeberin und dem freimütigen Heimkind Brenda (AnnJewel Lee Dixon) erkennt. Was bei einem Mann als Charakterstärke gilt, wird Lauler als Bosheit und Verrücktheit angelastet. Anne selbst hat das weibliche Gesellschaftsideal von Nachgiebigkeit und Nettigkeit so verinnerlicht, dass sie mit ihrem Selbstverwirklichungsdrang hadert. Die allesamt spruchreifen Lebensweisheiten, mit denen Lauler ihre neue Patchwork-Familie aufbaut, klingen mitunter so vertraut, wie es der Plot ist. Aber so viel Verve und Geist verdienen einfach das letzte Wort.
Shirley McLaine, die selbst gegen Hollywoods konventionelles Starimage rebellierte, glänzt in der maßgeschneiderten Rolle der unerschütterlichen Nonkonformistin. Ihre bissigen Dialoge und die famose Darstellerinnen-Chemie trotzen der mutlosen Inszenierung. Ein komödiantisches Kleinod über die Negativklischees, die unverändert erfolgreichen Individualistinnen anhaften.
- OT: The Last Word
- Regie: Mark Pellington
- Drehbuch: Stuart Ross Fink
- Produktionsland: USA
- Jahr: 2017
- Laufzeit: 108 min.
- Cast: Amanda Seyfried, Adina Porter, Anne Heche, Shirley MacLaine, Alanna Ubach, Tom Everett Scott, Thomas Sadoski, Sarah Baker
- Kinostart: 13.04.2017
- Beitragsbild © Tobis