Wenn Aaron Taylor-Johnson sein eigenes Star-Vehikel bekommt, konnte er dann kein besseres finden als ein Spider-Man Spin-off, das einen der kuriosesten (Dialog-Zitat: „with a K!“) Marvel-Schurken zum ruppig-rauen, mega-muskulösen Pendant des freundlichen Superhelden aus der Nachbarschaft aufpusht? Offenbar nicht, denn sonst würde ein anderer Hauptdarsteller in J.C. Chandors aberwitziger Origin-Story an Glasfassaden hochkraxeln, unversehrt von Gebäuden springen und mit hypersensiblen Sinnen Zigarettenstummel der Marke zuordnen. Diese und noch übermenschlichere Fähigkeiten machen Sergei Kravinoff (Johnson) aka Kraven the Hunter zu einer Art düster blickenden Double Peter Parkers, der auffälligerweise nie vorkommt. Nichtmal in einem Querverweis oder der bei Marvel Filmen eigentlich obligatorischen Post-Credits-Szene.
Deren Fehlen wirkt wie ein Eingeständnis, dass die Produzenten Kravens Konflikt mit seinem Übervater (Russell Crowe mit karikatureskem Russisch-Akzent) und dessen Crime-Konkurrenten Rhino (Alessandro Nivola) zu gern komplett vom Franchise abgrenzen würden. Nicht verwunderlich angesichts unspektakulärer Action, unglaubwürdiger Tier-Animationen, unfreiwillig komischer Dialog-Sprüche und der absurden Story. Jene nimmt dem Titelcharakter mit der moralischen Ambivalenz und Großwildjagd jegliches Charisma. Werden die CGI-butigeren Kills geschnitten, ist der Mix aus Tier-Abenteuer und Familienzwist mit Papa Crowe und Kravens Halbbruder Dimitri aka Chameleon (Fred Hechinger), fast ein Kinderfilm. Taylor-Johnsons Poster-Boy-Posen geben dem tierischen Trash einen Camp-Charme mit ganz eigenem Unterhaltunsgwert. Wenn ich nicht dem beabsichtigten.
Von Ariana DeBoses 80er-Retro-Outfits über Taylor-Johnsons trainierten Torso bis zu Hetchingers Schmalz-Song Imitationen, ist J.C. Chandors Trash-Comic-Actioner mehr Posing als Plot. Was an zweitem vorhanden ist, steckt selbst bei großzügiger Toleranz der Fantasy-Features voller lachhafter Logikbrüche. Warum spricht ein russischer Vater mit seinen russisch sprechenden Söhnen gebrochenes Englisch statt Russisch? Wieso ist Dimitris abgehackter Finger später wieder dran? Seit wann reichen Ibuprofen gegen Wund-Infektion? Nashörner sind also unverwundbar? Sämtliche Figuren wirken wie zweitklassige Ausgabe populärerer Marvel-Helden, die sich hier entgegen der Franchise-Routine nirgendwo blicken lassen. Mit etwas Selbstironie und Animal-Prints statt Hardcore-Hiking-Looks wäre es zumindest Camp. So ist es nur cringe.
- OT: Kraven the Hunter
- Director: J.C. Chandor
- Screenplay: Richard Wenk, Matt Holloway, Art Marcum
- Year: 2024
- Distribution | Production © Sony Pictures