Einzig bemerkenswert an der prähistorischen Romanze zwischen Hund und Herrchen ist, dass sie nicht von Disney produziert wurde. Naturgewaltige Erhabenheit und dramatische Spannung kriegt Albert Hughes trotz des tiefen Griffs in die CGI-Trickkiste zwar nicht hin, aber den Disney-Touch familientauglicher Sentimentalität imitieren kann der Regisseur und Co-Drehbuchautor. Sein Eiszeit-Abenteuer verknüpft Kitsch, Schauwerte und konservativen Wertkanon, eingefasst von Heuchelei. In der Tradition von Bambi, Lassie und Flipper spekuliert Alpha mit dem Motiv der Mensch-Tier-Freundschaftzum Preis realer Tierquälerei. „No Animals were harmed“ steht aus gutem Grund nicht im Abspann.
Das an Minimalstandards geknüpfte Siegel verweigerte American Humane der Produktion nach Versuchen des Studios die Schlachtungen mehrerer Bisons für Filmaufnahmen zu vertuschen. Die Verantwortlichen hatten offenbar nicht die Skrupel Kedas (Kodi Smit-McPhee), der Tiere ungern tötet, selbst wenn die Alternative zerstampft werden oder verhungern heißt. Bezeichnenderweise ist das erste Tier, das er verletzt, Alpha, die ihm dennoch wenig später aus der Hand frisst. Statt Tierverhalten ansatzweise natürlich darzustellen, bemüht die einfallslose Inszenierung drollige Klischees und Alphas Knuddelfaktor. Jahrtausendelange Domestizierung und die komplizierte Zähmung ersetzt hier Scooby-Doo-Logik: gib Snackis.
Dann apportiert auch ein hungriger Wolf Stöckchen und lässt sogar seine Artgenossen zurück. Das als handlungstragend konzipierte Bündnis verrät sich von Anfang an als das routinierte Abspulen einer bewährten Formel: Teenie und Tierfreund bestehen gemeinsam ein großes Abenteuer. Dazu Versatzstücke der gefahrvollen Heimreise verirrter Haustiere und im Hintergrund die Kulisse von Ice Age. Das Resultat ist ein bis ins Detail vorhersehbarer Plot, der von einem Logikbruch zum nächsten stolpert wie der Hauptcharakter von Notlage zu Notlage. In einer Epoche, als jeder Kratzer einen dahin raffen konnte, bleibt Keda unverwüstlich.
Wundbrand, Infektionen, eine kleine Narbe? Nicht in dieser Kino-Steinzeit, in der das Firmament unecht wie eine mit Leuchtsternen beklebte Kinderzimmerdecke funkelt. Keda trotzt Schluchten, Sturzbächen, Wolfsrudeln, Säbelzahntigern, Schneestürmen, Knochenbrüchen und Lungenentzündung. Selbst in triefnassen Klamotten erfriert er nicht – hey, ist doch bloß Winter in der Eiszeit. Wo ein Wille ist, da ist ein Weg. Der führt den Jagdanfänger garantiert Heim und zwar als echter Kerl. Denn darum geht es eigentlich in dem archaisch verbrämten Mannwerdungs-Mythos. Vor soviel Pathos, Schmalz und CGI wird Morgan Freemans Rahmenkommentar zum grotesken Witz.
Steinzeitlich ist nicht nur das Szenario majestätisch gemeinter CGI-Landschaften, sondern die schablonenhafte Handlung, die weder Drama noch Spannung und schon gar keine Action liefert. Albert Hughes reduziert die imaginäre Ursprungsgeschichte der Haushunde auf platte Stereotypen. Trotz der moderaten Laufzeit braucht es dafür mindestens ebenso viel Durchhaltewillen wie der Held aufbieten muss. Dass dafür Tiere getötet wurden, sagt mehr über das Mensch-Tier-Verhältnis aus als der gefühlsleere Familienfilm.
- OT: Alpha
- Regie: Albert Hughes
- Drehbuch: Albert Hughes, Dan Wiedenhaupt
- Produktionsland: USA
- Jahr: 2018
- Laufzeit: 96 min.
- Cast: Kodi Smit-McPhee, Leonor Varela, Natassia Malthe, Jóhannes Haukur Jóhannesson, Mercedes de la Zerda, Jens Hultén, Marcin Kowalczyk, Priya Rajaratnam, Spencer Bogaert, Patrick Flanagan, Kyle Glenn Thomas, Michael Kruse-Dahl, Louis Lay
- Kinostart: 27.09.2018
- Beitragsbild © Sony