“Women who look a certain way – they need to be managed.” Frauen eines bestimmten Aussehens, Frauen die auf eine bestimmte Art gucken; was Jerry meint, bleibt vage. Nur, dass es nichts Gutes ist, das verrät seine Stimme. Der Charlies Freundin Amy (Imogen Poots) mit hungrigen Augen beobachtende Vagabund (Colin Farrell) ist wie sein Tonfall: bedrohlich und ungeheuer verführerisch. Ein Verführer. Ein Ungeheuer. Außer Charlie (Anton Yelchin) weiß das keiner. Charlies einstiger Kumpel Ed (Christopher Mintz-Plasse) wusste es, doch Eds Platz im Klassenzimmer ist leer, seit er Jerry ausspionierte. Täglich sind ein paar mehr Plätze in Charlies Klasse leer, aber das beunruhigt niemanden.
“People don´t live in Vegas. They just pass through”, sagt Charlie. Früher war er ein peinlicher Außenseiter wie Ed, aber Charlie ist cool geworden und will noch cooler werden. Wie seine Schulkamerad Mark (Dave Franco), der auch verschwindet. Die errungene Coolness, mit der er seine verkappte Selbstunsicherheit kaschiert, macht ihn nicht nur für Amys aufrichtige Gefühle blind, sondern auch für das Grauen, das sich in seiner unmittelbaren Nähe einnistet. “Jerry is a Dracula?“, fragt Charlie mit spöttischem Sarkasmus, der in Fright Night die metatextuelle Selbstreferenzialität des Mainstream-Horrors demaskiert.
Craig Gillespies geschliffener Blutrausch inszeniert dies nicht nostalgisch-spaßig, sondern bitterböse und wohltuend erschreckend. Nicht alle Vampire sind weichgespülte Romantiker wie in Twilight. Ein paar sind noch richtig böse und der von Farrell neu erfundene Charakter zählt zur letzten Sorte: ein gefährlicher Streuner, der sich mit raubtierartiger Kaltblütigkeit ins Zentrum der Handlung schleicht.
Animalisch und umgeben von einer Aura instinktiver Furcht, spricht er mit der trägen Ruhe eines in die Gegenwart transportierten 50er-Jahre-Rebellen. Wo alle anderen nur Durchreisende sind, ist Jerry zu Hause. Gillespies Vegas ist ein fahles Niemandsland, in dem Raum und Zeit außer Kraft gesetzt scheinen. Wenn irgendwo in der modernen Welt Vampire existieren könnten, dann wohl in dieser gespenstischen Einöde, wo das Böse nur die nächste bombastische Show ist wie das Zauberevent des Bühnenstars Peter Vincent (David Tennant), dessen Name dem rabenschwarzen Tanz der Vampire seinen Titel gibt. Soundgardens Black Hole Sun scheint immerfort zu erklingen, obwohl Gillespie den Song niemals spielt, dessen morbider Flair den finsteren Humor und die leise subversiven Töne spiegelt, zu denen Gillespie nie ganz zu stehen wagt: “… Hang my head drown my fear till you all just disappear.”
In Las Vegas verdunkeln die Leute ihre Fenster, um tags zu schlafen und nachts zu spielen. Immer mehr Anwohner verkaufen die Reihenhäuser, mit denen Charlies Mutter (Toni Collette) makelt. Diejenigen, die ein Haus kaufen, bleiben nicht lange und manchmal richten sie nur ein Zimmer darin ein – wie Jerry. Las Vegas, das seine Besucher materiell und persönlich aussaugt, ist der perfekte Ort für einen Blutsauger. Charlie weiß das, er lebt in Las Vegas, direkt neben Jerry, der nur in fremde Häuser kommt, wenn man ihn vorher einlädt, nie auf Kamerabildern erscheint und in verborgene Kammern in seinem Haus hat, mit menschlichen Snacks. Das tatsächliche Monstrum wird in dem urbanen Vakuum, hinter dessen einheitlichen Fassaden Stripper, Mittelstandfamilien und befremdliche Eigenbrötler Tür an Tür wohnen, zum Synonym der in der gleichgültigen Perfektion brütenden Gewalt. “Er kann uns hier drinnen nicht töten“, sagt Charlie, als er mit seiner Freundin auf die Tanzfläche eines überfüllten Clubs geflüchtet ist. Er solle sich nur umschauen, erwidert Amy. Niemand der Leute hier würde es bemerken.
Die dunkle Horrorstory, für die Tom Holland über ein Vierteljahrhundert nach seinem gleichnamigen Regie-Debüt das Drehbuch verfasste, wird als Remake beworben, doch das ist es nicht. Es ist die Auferstehung eines echten Schreckens, der in dem damaligen Genre-Liebling nur Parodie war. Mit Jerrys Worten: Willkommen zu Fright Night. Dem Original.
- Beitragsbild © Walt Disney