Nachdem Mary Anning 2024 bereits mit einem Realfilm-Biopic bedacht wurde – Francis Lees spekulativer Ammonite verdient im Grunde nicht, mit Ihrem Namen in Verbindung gebracht zu werden – schickt Nadasdy Film die Paläontologie-Pionierin nun auf ihr erstes animiertes Abenteuer. Für ein solches ist der faszinierende Lebenslauf der unbeirrbaren Titelheldin, die mit zwölf Jahren das allererste korrekt identifizierte Ichthyosaurier-Skelett entdeckt, wie geschaffen. Dass erst jetzt das dramaturgische Potenzial ihrer Geschichte beachtet wird, bestätigt das fortbestehende Übergehen weiblicher Forscherbiografien.
Dazu will Marcel Barellis kurzweiliger Kinderfilm, der in nur 72 Minuten vorbei huscht, scheinbar ein positives Gegenbeispiel setzen. So begegnet die kindliche Heldin (Stimme: Camille D‘Hainaut), die im ländlichen Dorset an den gefährlichen Steinklippen nach Fossilien sucht, in Zeitgenossin Elisabeth Philpot (Johanne Pastor) einer zweiten bedeutenden Paläontologin. Beider sexistische Diskriminierung, insbesondere in akademischen Kreisen, wird allerdings nur flüchtig erwähnt und nie thematisch vertieft. Obskurantismus und Patriarchalismus scheinen ein individuelles Ärgernis, personifiziert durch den buchstäblich altväterlich Schullehrer, statt institutionalisierte Einschränkungen.
Der Zusammenhang von christlich-klerikaler Irrlehrer und misogynen Dogmen, gegen die Anning Zeitlebens ankämpfen musste, wird nie aufgezeigt. In der verklärten Story erhält Anning schon als Kind mehr Anerkennung als ihr in der Realität je zuteil wurde. Das ist schönes Wunschdenken, aber negiert die komplexen Auswirkungen patriarchalischer Dogmen. Diese zeigen sich subtil auch in dem schematischen Plot. Der schreibt Annings spektakulären Fund, der das Weltbild ihrer Zeit nachhaltig veränderte, ihrem Vater zu und gibt ihr gleich zwei männliche Unterstützer.
Einer ist ihr älterer Bruder, der andere ein mürrischer Seefahrer, den Mary an seine jung verstorbene Tochter erinnert. Das führt zur berühmten Blitzschlag-Anekdote, die Anning as Baby Lokalprominenz verschaffte. Doch die spannende Episode wird nicht gezeigt, sondern lediglich erzählt. Das Gleiche geschieht beim tragischen Tod Annings Vater. So untergräbt Barellis phantasiearme Inszenierung wiederholt ihr enormes visuelles Potenzial. Erst im Abspann wird Henry De la Beches populäre Zeichnung „Duria Antiquior“ gezeigt und keine einzige Szene imaginiert die Urwesen oder deren Zeitalter.
Zusammengestaucht bleibt auch die Entwicklung der zahlreichen Charaktere, denen die hastige Handlung kaum Entfaltungsraum lässt. Gerade Anning ist kaum mehr als gängige Klischees. Zwar erhalten traurige Momente und die materielle Bedrängnis ihren Platz, können aber kaum nachwirken. Verspielte Animationen, deren klare Formen, flächige Farben und feine Linien an den charakteristischen Stil von Cartoon Saloon erinnern, betonen die fröhlichen, idealistischen Aspekte. Drollige Facetten wie Annings knuffiger Hund sorgen für leichthändigen Humor in dem warmherzigen, doch allzu braven Porträt einer prägenden Entdeckerin.
Eine Urzeit-Forscherin, die mit zwölf Jahren ihre erste spektakuläre Entdeckung machte und die als Baby Blitzschlag überlebte: Mary Annings Lebensgeschichte ist außergewöhnliches Leinwandmaterial. Marcel Barellis gefälliger Kinderfilm lässt das visuelle und dramatische Potenzial weitgehend ungenutzt. So besticht die euphemistische Erzählung vor allem durch ihre hübschen Illustrationen. Deren gedeckte Farbpalette aus Schiefertönen, Grün und Blau sowie die von der berühmtesten Darstellung der Forscherin inspirierte Optik schaffen eine stimmige Szenerie. Von der hätte man gerne mehr gesehen, doch Annings Entdeckergeist fehlt leider.
- OT: Mary Anning
- Director: Marcel Barelli
- Year: 2025