Der Flughafen ist zugleich modernes Pendant klassischer filmischer Begegnungspunkte und Symbolort für Aufbruch, Ankommen und Wandel. Unendliche dramatische und dramaturgische Möglichkeiten! Von denen Angela Schanelec keine nutzt. Die desorientierte Gleichgültigkeit, die ihr in endloser Stagnation gefangenes Werk inhaltlicher oder ästhetischer Relevanz entgegenbringt, ist fast beachtenswert. Fast. Denn die episodische Monotonie kommt irgendwo nie an, genau wie die Figuren. Die sitzen auf dem Flughafen des Titelorts und warten, das Kinopublikum wartet mit. Beide werden enttäuscht. Vielleicht ist das ein Insider-Gag der Regisseurin, die sich beim Gedanken an dösende ZuschauerInnen köstlich amüsiert.
Immerhin wäre das eine Person, die an der schalen Eintönigkeit einen Mehrwert findet. Die Regisseurin und Drehbuchautorin nimmt den Begriff Warte-Halle beim Wort. Ein halbes Dutzend zusammengewürfelter Fluggäste sitzen dort und warten. Warten. Und warten. Ihre Wege kreuzen sich nicht, weil es ja nirgendwo hingeht. Die Dialoge, die zufällig entstehen, entsprechen der banalen Situation: „Mein Mann ist Psychotherapeut“ oder „Ich wollte eine Badenudel kaufen“ Interesse oder Fragen wecken die Nebensächlichkeiten nicht – höchstens danach, was eine Badenudel ist. Leute telefonieren mit Verwandten, lesen Bücher und knabbern überteuerte Kekse aus dem Souvenir-Shop.
Juliette (Natacha Régnier) lässt ihren Mantel liegen und im Fundbüro ist er nicht. „Ich bin ziemlich k.o.“, bekennt Vincent (Bruno Todeschini). Nicht nur er. Gelangweilte Kleinkinder wälzen sich in Trotzanfällen auf dem Boden. Man möchte es ihnen gleich tun. Die Wartenden hingegen finden die anderen Wartenden faszinierend: „Fotografiere mal das Baby“. Hohle Dialoge unterstreichen die allumfassende Redundanz: „Warum erzählst du das, wenn es nicht wichtig ist?“; fragt ein junger Wartender. Eine Wartende bemerkt: „Ich weiß nicht, was ich meine.“ So ging es vermutlich auch der Regisseurin. Einen Film hat sie trotzdem gedreht.
Knapp über achtzig Minuten dauert der.Die Zeit auf dem gleichnamigen Flughafen abzusitzen, wäre sicher ergiebiger: „Da steht Flugsteg 39. Das ist in der anderen Halle.“ – „Willst Du schon hin?“– „Ist noch Zeit.“ Und die muss mit den Charakteren durchgehalten werden. Angesichts der pseudophilosophischen Auswüchse der Gespräche ist das nicht einfach: „Ich hatte das Gefühl, dass mir mein Glück nicht zusteht. Dass alles Zufall ist. Das ganze Leben.“ Oha, tiefgründig. Das Finale der Handlung krönt den dumpfen Plot. Alle Flüge abgesagt aufgrund eines „unvorhergesehenen Ereignisses“. Alles Warten umsonst. Lebenszeit zurückerstatten, bitte.
- OT: Orly
- Regie: Angela Schanelec
- Drehbuch: Angela Schanelec
- Produktionsland: Deutschland, Frankreich
- Jahr: 2009
- Laufzeit: 84 min.
- Cast: Bruno Todeschini, Natacha Régnier, Emile Berling, Mireille Perrier, Jirka Zett, Lina Phyllis Falkner, Maren Eggert, Josse De Pauw
- Kinostart: 04.11.2010
- Beitragsbild © Berlinale / Piffl Medien