Jetzt ist es vier Uhr am Morgen und ich kehre an die Arbeit zurück. Auf den Straßen sind nur Betrunkene, Vagabunden, Straßenkinder und Lehrlinge wie ich. Oh Mutter, es ist hart, ein Baklava-Bäckerlehrling zu sein.
Pragmatisch sind die Worte, die Angelo Abazoglous halb-dokumentarisches Jugenddrama einleiten, und die dramatische Kost, der Berlinale Generation Beitrags. Einer von denen, die zwischen Nacht und Morgen unterwegs sind, ist Mustafa. Zweimal erscheint er dort. Beim ersten Mal schiebt er wie die übrigen Lehrlinge einen Karren zur Bäckerei, wo er mit einem halben Dutzend Jungen die Herstellung der Spezialität erlernt. Baklava-Bäcker ist ein geachteter Beruf. Mehr als die doppelte Menge des Naschwerks wird an Festtagen verkauft. Dennoch, berichten die Radionachrichten, ist die Produktion um 25 Prozent gesunken. Der Umsatzeinbruch ist einer der Gründe, warum sein Onkel und Vorgesetzter taub ist für Mustafas Wünsche. Wie ein Bäckerlehrling sinniert: „Alle haben Träume“.
Filoteig, Pistazien und Sirup sind der Stoff, aus dem Mustafas Träume sind. In ihnen sieht er sich in Istanbul als Meisterbäcker arbeiten. Doch das autoritär-patriarchalische Männerbild fordert von Mustafa Gehorsam gegenüber dem Onkel und Meister, der seine Geringschätzung gegen den jungen Protagonisten in frauenverachtenden Äußerungen zeigt. Die Inszenierung akzeptiert Misogynie und Machtstrukturen kritiklos und normalisiert sie bedenkenlos. Statt das chauvinistische soziale Umfeld und die hierarchischen Gesellschaftsstrukturen zu durchleuchten und hinterfragen, beschäftigt sich die Handlung lieber mit Backwerk. Die Kamera klebt an den papierdünnem Teigstreifen, die wie weißes Leinen auf Rollen gewunden, ausgerollt und mit gekochtem Zuckerwasser bestrichen werden. Statt Appetit entsteht Übelkeit angesichts der menschenverachtenden Kommentare.
Wenn es von einem Mann heißt, er ist wie ein Mädchen, was könne man von diesem Mann erwarten? „Nichts“, antwortet Mustafa. Das zweite Mal, dass man ihm vor Tagesanbruch auf der Straße sieht, hat er keinen Karren, keine Arbeit, kein Geld. Nur den Traum, dem er näher ist als je zuvor. Freiheit sei traurig, wenn man kein Nest hat, erzählt ihm ein Taubenzüchter. Darum kehrten die Tauben freiwillig in die Gefangenschaft zurück. Simple Metaphern und die Alltagsrealität der Hauptstadt sind das Höchstmaß zaghafter Gesellschaftskritik, die das ziellose Porträt sich traut. Die spärliche Handlung läuft ins Leere, zusammen mit dem Hauptcharakter, während die naturalistische Inszenierung suggeriert, alles sei fein und süß. Das gilt höchstens für das Baklava. Die oberflächliche Mockumentray blendet gleichgültig aus, dass das Leben vielschichtiger ist als Blätterteiggebäck.
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