Sheldon Larrys Kinodebüt setzt thematisch dort an, wo vor über zwei Jahrzehnten Paris is Burning in New Yorks Subkultur aufhörte. Im Zeitalter von AIDS und Homophobie stieß Jennie Livingstons Kult-Doku die Tür zu einer schillernden Szene auf, die sich einen beachtlichen Platz im medialen Spotlight und der öffentlichen Wahrnehmung erkämpft hat. Die chaotische Story stürzt sich kopfüber in die Ballroom-Szene, einer Welt in der Glamour, und Performance genauso zum Alltag gehören wie Musik und Drama.
Die engagierte Darsteller-Riege aus Newcomern und Underground-Stars feiert sich selbst im Wirbel aus Kostümen, Tanzeinlagen und humorvollem Exhibitionismus. Als ein hofiertes Mitglied des Szene-Adels, der auf regelmäßig abgehaltenen Hofbällen neue Anwärter in seinen Kreis wählt, betrachtet sich Princess (Phillip Evelyn). Selbstbeschau ist eine ihrer Vorlieben, dennoch hat sie stets Augen für Brad (Ephraim Sykes), der längst den Glauben an sich und sein Talent verloren hat. Doch mit Princess ist dem attraktiven Hauptcharakter auch der Erfolg wieder hold.
Die bewusst melodramatische Story entspinnt sich in Brads neugefundener Alternativfamilie, behütet von der mütterlichen Queen Latina (Miss Barbie-Q). „We celebrate everyone“ verkündet ein Schriftzug zu Beginn des überbordenden Musicals, das tatsächlich keineswegs so inklusive ist. Die einzige weibliche Figur ist die mit Abstand Negativste und ein wandelndes Stereotyp: Gegenpunkt zu Queen Latina und ihrer Crew. Die Überbetonung weiblicher Attribute, welche die Helden in Prinzessinnen und Königinnen verwandelt, macht die biologische Frau zur Karikatur und Gallionsfigur des destruktiven reaktionären Familienkonzepts.
Leider versprüht der inspirationsarme Plot nicht annähernd den Witz und die Dynamik der Songs. Was in deren Lyrics natürlich wirkt, erscheint als Dialog aus dem Mund der fragmentarisch gezeichneten Charaktere einstudiert wie die exaltierten Showeinlagen. Das in vereinzelten düsteren Momenten durchschimmernde dramaturgische Potenzial zerstiebt in einer Wolke Glitter. Sheldon Larry könnte das offenbar nicht gleichgültiger sein. Statt auf die Inszenierung blickte er wohl auf sein Handy. Wenn schon nicht Justin anruft, dann wenigstens die Teddy-Jury.
- OT: Leave it on the Floor
- Regie: Sheldon Larry
- Drehbuch: Glenn Gaylord
- Produktionsland: USA
- Jahr: 2011
- Laufzeit: 105 min.
- Cast: Ephraim Sykes, Andre Myers, Phillip Evelyn, Barbie-Q, Cameron Koa, James Alsop, Metra Dee, Demarkes Dogan, Hailie Weaver, D.J. Fatha Julz, Lady Red Couture, Roxy Wood, Daveione Williams, Cornelius Wilson, Koreyo Kreame
- Beitragsbild © Berlinale