Dad sagt, manchmal müsse man lügen. Aber Dad (John Hawkes) behauptet alle möglichen Sachen, am liebsten solche, die er nicht erklären kann. Bei manchem wie der Handgreiflichkeit mit einem Autofahrer, der ihn auf den letzten Cent verklagen will, ist er ziemlich gut im Erklären. Weniger bei der Kehrtwende an der Eintrittskasse zum Grand Canyon, den er Nat (Ty Simpkins), Greta (Ryan Simpkins) und Caroline (Kendall Toole) zu besichtigen versprochen hat. Je weiter etwas weg ist, desto besser kann Dad es in den schönsten Farben ausmalen, so dass die zwölfjährige Greta, ihr kleiner Bruder und die fast erwachsene Schwester Caroline es vor Augen sehen wie einen Traum. Oder eine Fata Morgana. Oder den Titelort, dem die brüchige Familie in Olivia Silvers trägem Crossover zwischen Coming-of-Age-Story und Road Movie entgegen fährt.
Das klapperige Auto ist der drückendste der Räume, in denen die träge Handkamera das Quartett in die Enge treibt, als bedeute physische Nähe emotionale Nähe. Dem Irrglauben der Regisseurin unterliegt auch Dad Tom, der seine erzieherische Überforderung mit ähnlicher Unstetigkeit zu kaschiert wie die Story die dramaturgische Verantwortung gegenüber Figuren. Letzte sind flüchtige Umrisszeichnungen, interessant aus der Distanz, ernüchternd bei näherer Betrachtung. Die inszenatorische Entzauberung wird zum kuriosen Pendant von Gretas Desillusionierung. Frustration überhöht Silvers zum emotionalen Motor psychologischer Reife, als ließen sich Teenager durch maximale Enttäuschung in reife junge Erwachsene verwandeln. Wurde die Regisseurin einfach nicht oft genug vor den Kopf gestoßen? Sonst wäre ihr Spielfilmdebüt wohl nicht übervoll von infantilen Metaphern (Spielzeug wegpacken = Schluss mit Kindheit) und aneinandergereihten Übergangsritualen.
Das ziellose Jugenddrama holpert über ein Schwellenerlebnis nach dem anderen, ohne das Plot oder Charaktere vorankommen. „Rollin´, rollin´, rollin´…“, trällern Dad und Kids in einer der banalen Alltagsszenen, die den Anschein von Authentizität geben sollen. Die Glaubhaftigkeit bleib trotz fähiger Darsteller_innen auf der Strecke. Wie Greta, die plötzlich am Straßenrand steht wie der zurückgelassene Familienhund, ausrangiert wie das Plüschkarnickel, von dem sie sich verabschiedet, wie von der schon durch den Titelnamen als solche identifizierten Illusion eines besseren Lebens. Der zwanghaft allegorische Endpunkt ist von Anfang an absehbar, jedoch vor allem: egal. Das Phlegma der Figuren, die Gleichgültigkeit der Inszenierung, die narrative Antriebslosigkeit münden in einer drögen Pointe gleich einer dramaturgischen Resignation: „Sorry, ich hab auch nicht alle Antworten.“ Zumindest sind jetzt alle etwas reifer. Oder einfach bloß von Langweile frustriert.
- OT: Arcadia
- Regie: Olivia Silver
- Drehbuch: Olivia Silver
- Produktionsland: USA
- Jahr: 2012
- Laufzeit: 90 min.
- Beitragsbild © Berlinale / DViant Films