„McGuffin“ bekommt eine völlig neue Bedeutung in George Clooneys komfortablen Kriegsstreifen. Darin versuchen der Regisseur und sein supersauberes halbes Dutzend Kunstkenner zu retten, was noch zu retten ist: an bedrohten Kunstschätzen und dem holprigen Plot. In seiner fünften Kino-Regiearbeit spielt Clooney den Historiker Frank Stokes, der gegenüber Franklin D. Roosevelt den zivilisatorischen Wert der von den Nazis begehrten Weltkulturschätze hervorhebt: „Wenn man eine ganze Generation der Kultur eines Volkes zerstört, ist es als hätte es nie existiert.“ Der Verlust geistesgeschichtlicher Monumente wiegt schwerer als der von Individuen, ließe sich diese Aussage interpretieren. Die Frage nach der Bedeutung historischer Kunstschätze vor dem Hintergrund historischen Massenmordes ist eine hochspannende, die ähnlich wie die brisanten Kernthemen seiner Politdramen feige umschifft. Noch vehementer als den ideellen Diskurs ignoriert Clooney die wahren Kunstretter, die entweder unerwähnt bleiben oder wie im Falle Rose Vallands auf eine erbärmliche Klischeenebenrolle reduziert werden.
It’s a jolly good war, fellows! Wenn darin einer von Clooneys Männern fällt, ist das tragischer als Dachau und die durch Fässer voller Zahngold angedeutete Ermordung tausender Juden. Ungewöhnliche Helden? Die Figuren aus Robert M. Edsels markig betitelter Buchvorlage „The Monuments Men: Allied Heroes, Nazi Thieves and the Greatest Treasure Hunt in History“ sind wie ihre Antagonisten abgenutzte Stereotypen. Matt Damon ist der Charmeur, John Goodman der robuste Bildhauer, Hugh Bonneville der Ex-Alkoholiker, der für seine verlorene Ehre kämpft, Jean Dujardin ist, nun, eben der Franzose, weil einer von denen auch dabei sein muss, Bob Balaban der schmächtige Geschichtskundler, Dimitri Leonidas der Jungspund mit jüdisch-deutschen Wurzeln. Und natürlich sind sie alle Kunstspezialisten! „Ich glaube, das ist ein Cézanne“, sagt ein Soldat. Darauf Stokes: „Das ist ein Vermeer“ Wow, der Mann hat Ahnung. Sehen sich ja zum Verwechseln ähnlich, die beiden. Nach ihrer burlesken Grundausbildung macht sich die Gruppe auf, das große Ding zu drehen. Im Zweiten Weltkrieg geht es zwar nicht ganz so lässig zu wie im Casino, aber hoch gepokert wird trotzdem. Nur sind Rembrandt und andere, deren Werke man irgendwann als Postkarte verschickt hat, die Zielobjekte.
Für deren universelle Bedeutung besitzt die kernig-kitschige Kampfgeschichte indes keinerlei Gefühl. Die Unersetzbarkeit des Genter Altars und anderer Schätze bleibt etwas Hypothetisches, geknüpft an unsterbliche Namen. Michelangelo! Wer einen mit der Signatur ergattert, kriegt dreimal mehr Helden-Punkte als für einen Picasso. Der zählt dafür noch doppelt so viel wie Klee, denn bei den Modernen weiß man nie, was man hat. In dieser unterschwelligen Kategorisierung zeigt die Kunstschätzung der fiktiven Titelhelden Parallelen zu den Nazis. Die Pervertierung eines Objekts zum ideologischen Symbol ist ein weiteres präsentes Thema, vor dessen Komplexität die Handlung zurückschreckt. Das intellektuelle Defizit, aufgrund dessen von der spannenden Originalstory nur eine Reihe patriotischer Pop-up-Bilder bleiben, sieht Clooney hingegen augenscheinlich beim Publikum. Das wird schulmeisterlich belehrt über Kulturwerte, deren Existenz mehr den Titelcharakteren angerechnet wird als den Schöpfern.
Die Rettungsmission gerät zur kulturgeschichtlichen Annektierung, die Künstlernamen mit denen der Krieger überschreibt: Ein Michelangelo – von Stokes. Kunst als dramaturgisches Ablenkungsmanöver vom dumpfen Pathos.
- OT: The Monuments Men
- Regie: George Clooney
- Drehbuch: George Clooney, Robert M. Edsel, Grant Heslov, Bret Witter
- Produktionsland: USA
- Jahr: 2013
- Laufzeit: 124 min.
- Cast: Matt Damon, George Clooney, Cate Blanchett, Bill Murray, John Goodman, Hugh Bonneville, Jean Dujardin, Diarmaid Murtagh, Bob Balaban, Sam Hazeldine, Dimitri Leonidas
- Kinostart: 20.02.2014
- Beitragsbild © Berlinale