„Poetisch“ , schwärmten die Pressebetreuung des Kinderprogramms der Berlinale über Janet van den Brands Langfilmdebüt, das hier unter dem Label Dokumentarfilm läuft. Die irreführende Kategorisierung entspringt womöglich einfach Ratlosigkeit. Wenn das Festival keine Werbefilme in den Sektionen zulässt, muss eine entsprechende Produktion halt irgendwie anders einsortiert werden. Die unübersehbare ökonomische Tendenz des romantisierten Blicks auf eine Reihe Kinder, die in Landwirtschaftsbetrieben aufwachsen, ist besonders fragwürdig aufgrund der inszenatorisch meist tadellosen Manipulation. Diese geschieht vorrangig durch die Ausblendung der brutalen, hässlich und zermürbenden Seiten des handlungszentralen Thema Agrikultur. Sie erscheint in der mit malerischen Kameraaufnahmen konstruierten Idealvision als ursprünglich, traditionsverbunden und zukunftsfähig. Ein Wunschbild abseits der Zustände in dem angeschlagenen Wirtschaftssektor. Für den soll hier wohl Nachwuchs rekrutiert werden.
Diesen Gedanken legt schon die unglaubhafte Darstellung der Kinderprotagonisten nahe. Koen, Daan, Jeanine und Sven sprechen ausschließlich mit Begeisterung und Hingabe von der Arbeit auf den Feldern und im Stall. Alle wollen den Elternbetrieb übernehmen. Zwei von ihnen spielen sogar am Computer und mit Plastikfahrzeugen Mähen und Ernten nach. Abwanderung ist hier, wo Heuballen zum Faulenzen in der Sonne einladen, Kinder Traktor fahren dürfen und Äpfel frisch vom Baum gegessen werden, augenscheinlich kein Problem. Klar doch, der wirtschaftliche Überlebenskampf und der daraus resultierende Mangel an jungen Nachfolgern, die besonders kleinere und mittelgroße Betriebe wie die im Film gezeigten treffen, existieren hier nicht. Wie die kleinen Familien es überhaupt schaffen, ihr Land zu bestellen und Vieh zu versorgen bleibt rätselhaft.
Dauereinsatz im eigenen Betrieb, unterbezahlte Arbeiter, giftige Pestizide, Antibiotika und Hormone für zusammengepferchte Tiere, Dünger, der den Nitratgehalt des Grundwassers in immer kritischere Höhen treibt – alle die prägenden Faktoren der Landwirtschaft bleiben unsichtbar. Dafür inszeniert Ceres vor Sonnenuntergangskulisse, wie einer der Jungen Fasane schießt. Hähne werden geköpft, Schafe getreten, Kälber sofort nach der Geburt ihren Müttern entrissen, Schweine mit dem Elektroschocker gequält. Tiere schlachten habe ihn nie bekümmert, verkündet nebenher eines der erschreckend verrohten Kinder. Deren Grausamkeit gegen Tiere wird als erwachsene Reife verklärt und als „natürlich“ beschrieben. Schwein an Eisenketten aufzuhängen und mit der Kreissäge zu zerhacken ist vieles – natürlich sicher nicht. Aber unversehrte Natur wäre in einer verkappten Reklame für konventionelle Landwirtschaft auch fehl am Platz.
Das positivste denkbare Szenario wäre, wenn Eltern van den Brands Werk zum Anlass nehmen, mit Kindern das manipulative Potenzial von Filmen zu diskutieren und sich gemeinsam mit der Realität in Landwirtschaft und Tiermittelindustrie auseinanderzusetzen. Sofern die Erwachsenen nicht selbst schon zu abgestumpft von den industrielle und marktpolitisch forcierten Reklamebildern sind.
- OT: Ceres
- Regie: Janet van den Brand
- Drehbuch: Janet van den Brand
- Produktionsland: Belgien, Niederlande
- Jahr: 2017
- Laufzeit: 73 min.
- Beitragsbild © Berlinale