Wie ein Horrorfilm klingt und beginnt Shannon Service’ enthüllender Report. Junge Männer werden mit dem Versprechen von Arbeit geködert oder nachts von der Straße weggefangen. Sie sind Fische im Netz und volle Netze bedeuten Geld. Thailands Fischereiindustrie ist ungeachtet der katastrophalen Überfischung eine der größten der Welt. Ein Milliardengeschäft, in dem Menschen billig sind und ein Leben wertlos. Ein Arbeiter kostet 800 Dollar. Wie viele Jahre dieses Kopfgeld abdeckt, hängt ab von den Bedingungen auf dem Schiff. Das wird zum schwimmenden Gefängnis für die Verschleppten. Für sie ist kein Land mehr in Sicht, physisch, psychisch und praktisch.
Sie zerstören Ökosysteme und ruinieren Menschenleben.
Patima Tungpuchayakul
Wie lange die Fangschiffe auf See bleiben, fragt Patima Tungpuchayakul, Gründerin der Labor Rights Promotion Network Foundation (LPN), einige der über 4000 Sklaven, die ihre Organisation aus Gefangenschaft oder beständigem Versteck befreite. Zwei Jahre, fünf Jahre, 12 Jahre: Albtraumhafte Zahlen, die sich immer weiter steigern. Über 25 Jahre ist einer der entflohenen Sklavenarbeiter bereits fort, ohne eine realistische Aussicht auf Rückkehr. Vom Leben, das er einmal führte, ist nichts mehr übrig und nicht von der Person, die er einst war. Niemand könne ermessen, wie es auf den Sklavenschiffen sei, sagt die furchtlose Aktivistin, selbst sie nicht.
Viele Überlebende sind physisch von dem Martyrium gezeichnet. Ein Arm, ein Bein, ein Auge … Vier Finger waren es bei Tun Lin, der seit seiner Befreiung mit Tungpuchayakul kämpft. Er ist einer der wenigen, denen vor Gericht eine Entschädigung zugesprochen wurde. Doch der gebrochene Blick der Opfer macht unmissverständlich, dass kein Geld das durchlebte Grauen aufwiegen kann. Bevor sie zahlen, hetzen die Konzerne Schläger und korrupte Polizei auf die Menschenrechtskämpfer_innen. Manche werden ermordet. Doch die moralische Leitfigur der gespenstisch-eindringlichen Komposition fürchtet sich nicht: „Angst ist eine Art Tod“, sagt Tungpuchayakul, „Wir sollten nicht zu oft sterben.“
Für ihr verstörendes Kinodebüt packt Journalistin und Regisseurin Shannon Service das vertuschte Thema von Sklaverei und Menschenhandel von Fischereikonzernen in einen ebenso prononcierten wie konzisen Dokumentarfilm. Zeugenberichte, Original-Footage und nachgestellten Szenen eröffnen den Blick auf eine monströse Industrie, die weit über den Schauplatz Südostasiens hinausreicht, angetrieben durch den unersättlichen Hunger der Konsumenten nach billigem Sea Food. Das Problem schwimmt nicht weit weg draußen im Ozean, es liegt hier bei uns in der Kühltheke. Aber denen, die dort einkaufen, ist das scheißegal.
- OT: Ghost Fleet
- Regie: Shannon Service, Jeffrey Waldron
- Drehbuch: Shannon Service
- Produktionsland: USA
- Jahr: 2018
- Laufzeit: 89 min.
- Cast: Patima Tungpuchayakul
- Beitragsbild © Berlinale