Drei Jahre nachdem Luiz Bolognesi mit seinem zweiten Langfilm Ex Shaman im Berlinale Panorama vorstellte, kehrt der Regisseur und Anthropologe mit einer weiteren filmischen Exkursion in Brasiliens Urwälder ins Sektionen-Programm zurück. Thematisch, motivisch und stilistisch ist die Begegnung mit den Yanomami im Amazonasgebiet dicht mit dem Vorgänger verwoben. Beide Filme reflektieren die überwältigenden Konflikte, die sich der indigenen Bevölkerung durch das Eindringen der Weißen stellen. Der unausweichliche Existenzverlust überschattet die naturalistische Poesie der Aufnahmen.
Die Gewissheit des Untergangs, der die Yanomami mit der Vernichtung ihres beständig schrumpfenden Lebensraums erwartet, steht in bedrückendem Kontrast zu der Harmonie der Gemeinschaftsaufnahmen. Alltagsmomente der in vollkommener Symbiose mit dem Urwald lebenden Gemeinde verweben der Regisseur und sein Co-Drehbuchautor Davi Kopenawa geschickt mit den nachgestellten Ursprungsmythen des Stammes. Dessen Lebensweise und Tradition eröffnen sich in beobachtenden Aufnahmen. Die exotisierende Außenperspektive weicht dem Blickwinkel der Protagonisten, die von Zerstörung und Verschmutzung ihrer Ressourcen berichten.
Die übermächtigen Gegner der Bolsonaro-Regierung bleiben weitgehend abstrakt. Statt der üblichen Bilder gerodeter Waldflächen und hochtechnologisierter Erschließung sind nur einige rasch verscheuchte Goldsucher zu sehen. Bolognesi verharrt in der trügerisch entrückt erscheinenden Welt, die seine Kamera nur einmal verlässt. Auf einer politischen Tagung spricht der langjährige Aktivist und Fürkämpfer Kopenawa eindringlich über die verzweifelte Lage seiner Gemeinschaft, deren Verdrängung Endpunkt einer Jahrhunderte währenden Praxis systematischen Landraubs und kultureller Auslöschung ist. Die Worte verhallen ungehört.
Mit seinem zweiten Dokumentarfilm über die letzten Vertreter der indigenen Bevölkerung Südamerikas schafft Luiz Bolognesi eine visuell bestechende Erfahrung, deren bewusste Langsamkeit zugleich immersive und aufzehrend wirkt. Das Ausblenden der Hintergründe, deren politische, soziale und wirtschaftliche Faktoren weit über die in Dialogen angesprochene Überproduktion hinausgehen, schärft den Fokus auf die im Verschwinden begriffene Kultur auf Kosten struktureller Transparenz. Die Überhöhung der ökologischen und humanistischen Katastrophe vor idyllischer Naturkulisse verdeckt den Blick auf deren konkrete Verursacher.
- OT: A Última Floresta
- Regie: Luiz Bolognesi
- Drehbuch: Luiz Bolognesi, Davi Kopenawa Yanomami
- Produktionsland: Brazil
- Jahr: 2021
- Laufzeit: 74 min.
- Cast: Davi Kopenawa Yanomami, Ehuana Yaira Yanomami, Pedrinho Yanomami, Joselino Yanomami, Nilson Wakari Yanomami
- Kinostart: –
- Beitragsbild © Berlinale