Den Pathos am Ende müsse man sich erst verdienen, erläutert Lars Eidinger als Dirigent Tom den Musiker*innen seines Jugendorchesters, gerade so, als spräche der Berlinale-Dauergast zum Publikum Matthias Glasners Wettbewerbsbeitrag. Jener ignoriert indes die Belehrung, die wie ein paternalistischer Versuch wirkt, die gut drei Stunden Laufzeit zu rechtfertigen. Tatsächlich sind es eher die Zuschauenden, die sich den Abspann mit viel Geduld erarbeiten müssen. Pathos gibt es dafür schon vorher und das nicht zu knapp.
Gestorben wird gleich mehrfach und es ist ein langes, larmoyantes Leiden für alle Beteiligten. Das sind neben Tom dessen Vater Gerd Lunies, (Jens Weisser), Mutter Lissy (Corinna Harfouch) und Schwester Ellen (Lilth Stangenberg). Dann sind da noch Ex Liv (Anna Bederke), in die Tom immer noch verliebt ist, die aber gerade ein Kind bekommen hat von Moritz (Nico Holonics), den sie nicht mag. Außerdem Toms Affäre Ronja (Saskia Rosendahl) und sein Dirigenten-Freund Bernard (Robert Gwisdek).
Letzter neigt zu Theatralik, aber das fällt nicht weiter auf in einer Handlung, die nicht nur klingt wie Seifenoper. Deren Kapitel versprechen zuerst die perspektivische Variation der Story, die doch nur geringfügige Überschneidungen aufweist. Ähnlich unentschlossen schwankt die Inszenierung zwischen Familiendrama, Beziehungskomödie und Klamauk. Nichts davon funktioniert. Das fähige Ensemble ringt vergebens um die Glaubhaftigkeit seiner Figuren. Die sind noch überkonstruierter als die Konflikte und papierenen Dialoge des prätentiösen Trauermarschs auf den konservativen Traditionshaushalt.
Dass Patchwork-Konstellationen das traditionelle Familienmodell abgelöst haben, ist Matthias Glasner augenscheinlich entgangen. So beklagt er den Niedergang eines vermeintlichen Idealzustands, der so reaktionär, elitär und chauvinistisch ist wie die ihm gewidmete Endlos-Elegie. Darin ist Abtreibung immer ein Fehler, die einzige Frau ohne Mann und Kind eine kaputte Alkoholikerin. Gewalt in der Beziehung wird vom Opfer abgesegnet und rassistische Beschimpfungen dienen als Gag – über den im Kinosaal kräftig gelacht wird. Da stirbt man wirklich vor Fremdscham.
- OT: Sterben
- Director: Matthias Glasner
- Screenplay: Matthias Glasner
- Country: Germany
- Year: 2024
- Running Time: 183 min.
- Cast: Hans-Uwe Bauer, Anna Bederke, Clara Aileen Bowen, Tom Böttcher, Lars Eidinger, Sidney Fahlisch, Robert Gwisdek, Corinna Harfouch, Alina Hidic, Nico Holonics, Christopher Köberlein, Kailas Mahadevan, Saerom Park, Saskia Rosendahl, Karmela Shako, Lilith Stangenberg
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